Einfach ein gutes Leben
Fähigkeiten einsetzen, und ihre Befriedigung ist desto größer, je besser entwickelt oder je komplizierter die beanspruchte Fähigkeit ist«. 96
Die zweite Bedingung für intrinsische Motivation ist, dass ich von der Qualität meiner Arbeit überzeugt bin. Das bedeutet zweierlei, zum einen, dass die Qualität der Produkte ein gewisses Niveau erreichen muss, zum anderen, dass auch dieProzessqualität stimmt. Ich muss also auch mit den eingesetzten Rohstoffen, den eingesetzten Mitteln und den Arbeitsbedingungen zufrieden sein, auch wenn man sie dem Produkt später nicht mehr ansieht. Diese Auffassung von Qualität sprengt den Produktivitätsbegriff der modernen Ökonomie, der sich zunächst nur für den Quotienten »Output pro Zeiteinheit« interessiert. Demgemäß steigt die Produktivität auch dann, wenn zum Beispiel das Produktionsverfahren umweltschädlicher wird oder die Produktqualität sinkt. Wie der US-Ökonom George Akerlof zeigen konnte, wird der Wettbewerb zwischen zwei Produkten unterschiedlicher Qualität unter bestimmten Voraussetzungen tendenziell dazu führen, das teurere (= hochwertigere) Produkt vom Markt zu verdrängen. Intrinsische Motivation ist dagegen eher an eine Steigerung der Qualität gebunden. 97
Die dritte und wichtigste Bedingung ist die Autonomie des Tätigen. Freie Wahl zu haben, das eigene Tun nicht von außen bestimmen zu lassen, scheint ein Grundbedürfnis des Menschen zu sein (siehe unten). Inwiefern wir überhaupt einen freien Willen haben, ist freilich eine ungeklärte philosophische Frage. Unsere soziale Umwelt gibt uns andauernd Hinweise und Korrekturen, nach denen wir unser Handeln ausrichten. Wichtig ist hierbei jedoch, die integrierten von den nur introjektierten Handlungsanreizen zu unterscheiden. Die letzteren wirken wie ein Kontrolleur im Hinterkopf, der auch in Abwesenheit von Personen, die uns bestrafen könnten, seine Kommandos gibt. Integrierte Handlungsanreize dagegen sind bereits verdaut, akzeptiert und ein Teil der Persönlichkeit geworden. Von einem Individuum, das nach ihnen handelt, kann man sagen, es handele autonom, weil es nicht unter Zwang handelt. Anders gesagt: Je mehr Introjektion, desto näher an der äußeren Kontrolle; je mehr Integration, desto autonomer die Handlung. Kontrolle aber, genauso wie Geld oder Wettbewerb, untergräbt die intrinsische Motivation (siehe oben).
Daneben muss unterschieden werden zwischen Autonomie auf der einen und Unabhängigkeit auf der anderen Seite. Unabhängigkeit muss in dem engeren Sinne von »etwas tun, ohne von jemand anderes materieller oder emotionaler Unterstützung abzuhängen« verstanden werden. Autonomie meint dagegen »nach dem eigenen Willen und den eigenen Zielen handeln«. Ihr Gegenpart ist also nicht Abhängigkeit , sondern äußere Kontrolle . Ich kann sehr wohl unabhängig und autonom sein, das heißt, ich verlasse mich aus freien Stücken nicht auf andere, aber auch unabhängig und gleichzeitig von außen kontrolliert, dann fühle ich mich gezwungen, von anderen unabhängig zu handeln.
Neben den drei Bedingungen Kompetenz, Qualität und Autonomie hebt Deci auch die Faktoren hervor, die der intrinsischen Motivation entgegenarbeiten. »Kontrollen untergraben nicht nur die intrinsische Motivation, … sie schaden klar erkennbar allen Tätigkeiten, die Kreativität, konzeptuelles Verstehen und flexibles Problemlösen erfordern.« Beobachtung, Drohungen, Bestrafungen, eng gesetzte Zeitrahmen und so fort sind hier allerdings lediglich die offensichtlichsten schädlichen Faktoren. Belohnungen können die intrinsische Motivation ebenso behindern. Decis Untersuchungen zeigen, dass Probanden, die sich an Belohnungen (insbesondere durch Geldzahlungen) gewöhnt haben – so wie jeder Angestellte – ihre Tätigkeiten auch nur noch gegen gleich hohe Belohnungen weiter ausführen, ja sogar bei anderen Tätigkeiten ebenfalls ein Entgelt erwarten. Sie werden sozusagen darauf »gepolt«, nur noch aktiv zu werden, wenn ihnen jemand dafür eine Gratifikation zuteilt. Deci stellte weiterhin fest, dass belohnte Aufgaben auf dem schnellsten und einfachsten Weg zu lösen versucht werden. Extrinsische Motivation durch Belohnungen ist also sinnvoll bei relativ simplen Routinetätigkeiten, insgesamt jedoch ist sie problematisch. Ähnliches gilt für Belobigungen. Wird ein Lob so empfunden, als werde es zum Zweck der Kontrolle ausgesprochen, schadet es der intrinsischen Motivation und führt zu ähnlichen Resultaten wie eine
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