Einfach ein gutes Leben
und den Fähigkeiten des Tätigen entsprechen, das heißt, alle relevanten Prozesse müssen von ihm gezielt beeinflusst werden können. Jeder, der schon einmal Stunden vor seinem Laptop verbracht hat in dem verzweifelten Bemühen, den Fehler zu finden und »die Kiste« wieder zum Laufen zu bringen, kennt eine Situation, in der diese Bedingung nicht erfüllt ist. Kompetenz, mit anderen Worten, ist nicht nur ein Motor für intrinsische Anreize, sondern auch eine Grundvoraussetzung für Arbeit, die uns einen freien Willen zugesteht.
Daneben muss ich die Möglichkeit haben, Ziele eigenständig zu bilden – sowohl kurzfristige (bis zum Ende des Tages das Betriebssystem neu installiert haben) als auch langfristige (mich zu einem kompetenten Ansprechpartner in Sachen naturverträgliche Textilfarben weiterbilden). Die Zielformulierung sollte die benötigten Ressourcen beinhalten (materielle Ressourcen, soziale Kontakte, Kompetenzen), die ich benötige, um das jeweilige Ziel zu erreichen. 102
Drittens sollte die Arbeit intrinsisch motiviert sein. Zu einem gewissen Maß sollte ich die Tätigkeit um ihrer selbst willen schätzen und ihr einen Sinn zuschreiben können, der in ihr selbst liegt. Das Interesse wird dann – mit anderen Worten – nicht bloß auf eine äußere Belohnung (oder die Vermeidung von Sanktionen) gerichtet, sondern auf die Aufgabe, das Material, den Arbeitsprozess. Freude an der Tätigkeit soll spürbar sein. »Etwas um seiner selbst willen zu tun ist eine doppelsinnige Bestimmung«, sagt der Philosoph Klaus Michael Meyer-Abich. »Sie bedeutet zunächst ›um meiner selbst willen‹. Das allein reicht aber nicht. Es muss auch etwas Sinnvolles sein, was ich damit zustande bringe, also: ›um der Sache selbst willen‹, Freude an der Arbeit.« In der Selbstbestimmung treffen sich mithin Selbst, Sinn und Sache.
Schließlich brauche ich, sofern es um Arbeit geht, die mir einen Teil meines Lebensunterhaltes sichern soll, den Eindruck, für meine Tätigkeiten ein faires Entgelt zu bekommen. Die Frustration darüber, über den Tisch gezogen zu werden, wäre gleichbedeutend mit dem Gefühl, die Arbeit unfreiwillig zu machen. Allgemein gesprochen ist Selbstbestimmung nur dann gegeben, wenn ich weitgehend frei von existenziellen Sorgen arbeiten kann.
Diese vier Bedingungen umschreiben das selbstbestimmte Arbeiten. Selbstbestimmung wäre jedoch immer noch kein Teil des guten Lebens in der Bedeutung, die ich hier vertretenmöchte, wenn sie nicht mit Gemeinschaft und Kooperation einhergehen würde (Kapitel 5). Ein individualistischer Freiheitsbegriff wäre dafür nicht zu gebrauchen (vgl. Kapitel 2). Selbstbestimmung braucht letztlich Zwischenmenschlichkeit und Solidarität. Arbeitsorganisation à la CPP ist nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil die Mitarbeiter in der Lage sind, »den eigenen kurzfristigen Nutzen zugunsten eines Gruppennutzens zurückzustellen«. Voraussetzung ist allerdings: Der Mitarbeiter »muss verstehen, wofür er seinen eigenen Nutzen aufgibt«. 103 Arbeit gelingt dann, mit anderen Worten, wenn Selbstbestimmung und kollektives Interesse in einer ausgewogenen Balance zueinander stehen.
Eine zweite Balance, die nicht unter den Tisch fallen darf, ist die zwischen Selbst- und Fremdbestimmung. Wahl-, Entscheidungs- und Handlungsfreiheit tragen nur so lange zu einem guten Leben bei, wie sie keine Überforderung darstellen. Gerade in der Arbeit erwarten viele, nach Weisungen tätig zu sein, und einen gesetzten Rahmen, an dem sie sich orientieren können. »Auch fremdbestimmt geht es den Leuten ja unter Umständen sehr gut«, betont Frauke Hehl. »Manchen ist es zu anstrengend, sich permanent überlegen zu müssen, was sie machen wollen, die brauchen Aufgaben. Es geht mehr darum, mit sich selber auszumachen: Was will ich eigentlich? Man kann nicht grundsätzlich sagen: Selbstbestimmung ist die Lösung. Für das Gros der Leute ist es schnell zu viel.« Der persönliche Grad an Selbstbestimmung ist also entscheidend. Zu viel ist genauso nachteilig wie zu wenig.
In Deutschland mögen wir uns der Stärken unserer sozialen Marktwirtschaft so sicher sein, dass die obigen Bedingungen weitgehend als erfüllt gelten. Die allerorten stattfindende Abwanderung ins gute Leben widerspricht diesem Eindruck allerdings. Vor allem jetzt nach (inmitten?) einer Fundamente erschütternden Wirtschaftskrise machen sich die Menschen Gedanken über die Grundlagen ihrer Existenz. Die führen sie unter Umständen zu
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