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Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdel Sellou
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die Gurte unter seinen Armen und Schenkeln hindurchgeführt, und so schwebte er über dem Bett, auf halbem Weg zu seinem Duschsessel. Sah echt bequem aus … Wir mussten die Feuerwehr rufen. Bis die da war, ihn aus seiner misslichen Lage befreit hatte, alles Weitere geregelt war und er endlich auf seinem Sessel saß, war es Nachmittag … Während all dieser Zeit ist der Pozzo höflich geblieben, geduldig, ergeben, ohne sich geschlagen zu geben. Wir alle haben Scherze gemacht, um ihn abzulenken, die Situation zu entschärfen. Ich tobte. Nicht weil die Maschine blockiert war: Wir wussten, dass sie sich früher oder später wieder in Bewegung setzen würde. Aber weil ein Mann in der Falle eines Geräts saß, das eigentlich dazu bestimmt war, ihm das Leben zu erleichtern, und er sich nicht daraus befreien konnte. Man schickt die Menschen auf den Mond und ist nicht fähig, ein sicheres und schnelles System zu erfinden, damit sich ein Tetraplegiker fortbewegen kann? Am nächsten Morgen sagte ich zur Pflegehelferin, noch bevor der Motor des Personenlifts in Betrieb gesetzt wurde, ich würde Monsieur Pozzo eigenhändig auf seinen Duschsessel setzen. Ich, Abdel Sellou, eins siebzig groß, die Arme kurz und rund wie Marsh­mallow-Sticks. Sie schrie auf.
    Â»Bist du wahnsinnig geworden? Der Mann ist zerbrechlich wie ein Ei!«
    Die Knochen, die Lungen, die Haut: Bei einem Tetraplegiker ist jeder Körperteil verletzlich, die Wunden sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen, und der Schmerz erfüllt seine Rolle als Warnsignal nicht. Das Blut zirkuliert schlecht, die Wunden verheilen nicht, die Organe werden nicht ausreichend durchblutet, die Blasen- und Darmfunktion ist behindert, der Körper reinigt sich nicht selbst. Die wenigen Tage an Pozzos Seite waren ein Schnellkurs in Sachen Medizin gewesen. Ich hatte begriffen, dass ich es mit einem zerbrechlichen Patienten zu tun hatte. Ein Ei, ganz richtig. Ein Wachtelei mit feiner weißer Schale. Ich erinnerte mich, wie meine G.-I.-Joe-Figuren früher ausgesehen hatten, nachdem ich mit ihnen gespielt hatte. Nicht gerade hübsch … Aber ich bin älter geworden. Ich betrachtete den Pozzo, diesen Mega-G.-I.-Joe aus Porzellan. Er, der einen Augenblick zuvor seine schönen weißen Zähne gezeigt hat, presst sie nun zusammen, seit ich meine Absicht verkündet habe, ihn zu tragen. Aber doch, ich fühlte mich in der Lage, das Ei fortzubewegen, ohne es zu zerschlagen.
    Â»Monsieur Pozzo. Ich schau Ihnen jetzt schon ein paar Tage zu. Diese Maschine da ist die Hölle, und ich glaube, ich habe einen Weg gefunden, wie wir ohne sie auskommen. Lassen Sie mich machen. Ich werde ganz vorsichtig sein.«
    Â»Bist du dir sicher, Abdel?«
    Â»Hören Sie, im schlimmsten Fall stoße ich Ihr Bein irgendwo an, dann haben Sie einen blauen Fleck, und das war’s, meinen Sie nicht?«
    Â»Na gut, das ist gar nichts, das kann ich ertragen …«
    Â»Los, keine Diskussion. Auf geht’s.«
    Ich fasste ihn unter den Achseln, drückte seine Brust an meine, der restliche Körper folgte von alleine. Nach weniger als achtfünfhundertstel Sekunden saß er in seinem Duschsessel. Ich betrachtete das Ergebnis, zufrieden mit mir, und rief in Richtung Tür:
    Â»Laurence! Bring mir den Werkzeugkasten! Wir demontieren die Transfermaschine!«
    Der Pozzo sagte nichts, er strahlte.
    Â»Na, Monsieur Pozzo? Wer ist der Beste?«
    Â»Du, Abdel, der bist du!«
    Er ließ selig seine Zähne blitzen. Der Moment war gekommen, um eine Erklärung zu verlangen.
    Â»Monsieur Pozzo, sagen Sie mal, Ihre Zähne, sind die echt?«

26
    Ich hätte mir Visitenkarten drucken sollen. »Abdel Sellou, der Vereinfacher«. Denn in der Serie Wir-lassen-uns-doch-nicht-von-Scheißmaschinen-verrückt-machen habe ich auch noch den Viehtransporter liquidiert, eine Kiste, die für Behinderte jeglicher Art ideal sein soll. Sie war hässlich, unpraktisch und ging wie die Transfermaschine ständig kaputt.
    Der Viehtransporter, das ist genau der passende Ausdruck, hatte ein Rampensystem. Die Rampe wurde ausgefahren, abgesenkt, und der Rollstuhl konnte hineingeschoben werden. Sie war oft blockiert. Wenn wir nicht pünktlich loskamen, konnte der Pozzo einen Termin verpassen. Und auch beim Aussteigen gab’s Probleme, denn das Fahrzeug war zu hoch, um einen Rollstuhl – und den Pozzo – direkt

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