Einfach losfahren
Raststätte drei Sandwiches gekauft, eins für jeden und eins zum Teilen, denn die Maße und Größen dieser Welt waren für uns nicht geschaffen. Eine Pizza zum Beispiel war zu wenig fürs Abendessen, aber zwei waren zu viel, und dies galt auch für große Biere oder alle anderen Getränke. Deshalb nahmen Federico und ich von allem drei und teilten durch zwei.
Eigenartigerweise hatte diesmal aber keiner Lust auf sein halbes Drittes, und wir vergaßen es eine Woche lang im Auto, bis wir das Sandwich eines Tages angeschnallt auf dem Fahrersitz vorfanden: Es wollte selbst fahren. Wir haben es nicht weggeworfen, und es hat uns die ganze Reise über begleitet, bis es eines Tages verschwunden war. Ich hatte es nicht weggeworfen, und Federico bestritt es ebenfalls. Ganze Abende lang haben wir uns ausgemalt, wie das Thunfischsandwich anderswo ein neues Leben begonnen hatte. Am plausibelsten fanden wir, dass es im Staate Oregon eine Focaccia geheiratet und mit ihr zwei Kinder gezeugt hatte.
»Nein, ich habe keine Neuigkeiten, ich weiß nur, dass du mit Oregon recht hattest: Letztes Jahr hat es mir eine Postkarte von dort geschickt. Übrigens habe ich ganz vergessen, dass ich dich von ihm grüßen soll.«
Das mit der Postkarte stimmte tatsächlich, nur dass natürlich Fede sie mir geschickt hatte. Ich hatte sie im Büro über dem Schreibtisch aufgehängt.
Francesca sah uns an und verstand nur Bahnhof, und als ich an den Herd zurückging, bestürmte sie ihn mit neuen Fragen. Sie nahm ihn sozusagen ins Sandwich.
»Entschuldige, aber wenn man sein Schicksal selbst gestaltet, was ist dann mit Gott?«
»Für mich ist Gott das Schicksal, das uns erwartet. Das Geheimnis des Lebens. Und ich denke kaum, dass Gott seine Tage damit verbringt, über mich zu richten. Ich versuche nicht, mir Gott vorzustellen, ich versuche ihn in jedem Ding zu sehen. Er muss nicht als Alibi herhalten, damit ich die Verantwortung für mein Schicksal und für mein Leben los bin. Früher war Gott für mich nur ein beruhigendes Wort. Die Vorstellung, dass es ihn gab, ließ mich ruhig schlafen.«
»Ich zum Beispiel weiß einfach nicht, wie ich an diesen Punkt komme, mein Leben in die Hand zu nehmen. Ich weiß nicht genau, was richtig für mich ist, ich kann deutlicher sehen, was für andere richtig ist. Wie auf der Autobahn, wenn es auf der Gegenfahrbahn gekracht hat und es sich kilometerweit staut. Grad neulich habe ich das erlebt. Ich fuhr seelenruhig weiter und sah mir an, was dann passierte. Hinter dem Stauende sah ich die Autos, die sich näherten, und hätte sie am liebsten gewarnt. Ich kannte das Schicksal, dem diese Leute entgegenfuhren. Ich wusste, in was sie hineingeraten würden, aber sie fuhren munter drauflos und hatten keine Ahnung. Dafür kann ich partout nicht voraussehen, was auf meiner Fahrbahn passiert. Wie soll man herausfinden, was das eigene Schicksal ist? Außerdem bin ich auch ganz anders als du, ich bin nicht ehrgeizig, es gibt nichts, was ich wirklich tun möchte, ich habe kein besonderes Talent, ich konnte nicht von klein auf zeichnen oder Musik machen oder so. Und ich bin eine Frau: Für mich ist Reisen nicht so einfach.«
Die Geschichte mit der Autobahn hatte ich schon ein paar Mal gehört. Francesca und ich waren uns damals in vielem sehr ähnlich, und gewiss teilten wie diese besondere Eigenschaft mittelmäßiger Menschen: nämlich eine Reihe von Sätzen oder Konzepten parat zu haben, die uns gefielen und die wir immer hervorzogen, wenn wir scharfsinnig wirken wollten. Das mit der Autobahn zum Beispiel kam uns damals wahnsinnig intelligent vor. Doch als ich es jetzt aus dem Nebenzimmer hörte, machte es mich nur traurig.
»Du hast also keinen Traum, nichts, was du tun möchtest oder mal tun wolltest?«, fragte Federico sie.
»Doch, ich habe einen. Ich möchte irgendwann eine Familie gründen.«
»Eine Familie zu gründen ist kein Traum. Familien sollte man gründen, um mit jemandem, den man liebt, seinen Traum zu teilen. Andernfalls lassen sich die Menschen für eine Sache funktionalisieren, sie werden Mittel zum Zweck und können nicht das sein, was sie sind. Wie meine Mutter: Sie hat in mir nie einen Menschen mit eigenen Wünschen, Rhythmen und Neigungen gesehen. Oft wird die Familie zum Refugium von Leuten, die sonst nichts auf die Reihe gekriegt haben.«
Francesca war verwirrt: Wenn die Sprache auf die Familie kommt, auf die große Liebe und auf Kinder, dann widerspricht normalerweise niemand. Außerdem wirkt es
Weitere Kostenlose Bücher