Einfach losfahren
beruhigend, bestätigt zu werden, es ist, als würde man im Chor sprechen. Die Stimmen der anderen bieten Schutz.
»Auch in dir ist irgendwo etwas, was du tun willst, was rauswill. Du weißt das nur nicht, weil du noch nie ernsthaft darüber nachgedacht hast. Mag sein, dass du kein besonderes Talent hast, aber mit Sicherheit besitzt du irgendwelche Fähigkeiten, möglicherweise hast du in der Vergangenheit einfach nicht die Menschen getroffen, die dir hätten helfen können, daran zu glauben. Oder du gehörst zum Typ ›Marathonläufer‹.«
»Wie meinst du das?«
»Stell dir vor, du wärst eine Marathonläuferin. Du rennst mit deinen Freunden und Freundinnen los. Irgendwann merkst du, dass es gut läuft, du hältst das Tempo und könntest sogar noch schneller laufen, also beschließt du, deiner Stärke zu folgen. Dich zu deinem Talent zu bekennen. Nach einer Weile stellst du fest, dass du dich von der Gruppe gelöst hast. Du drehst dich um und merkst, dass du allein bist. Sie sind weit zurück, aber beisammen, sie lachen miteinander, und du bist allein mit dir selbst. Da du diese Einsamkeit nicht aushältst, wirst du langsamer, bis die Gruppe dich einholt, du leugnest dein Talent und tust so, als wärst du wie sie. Du bleibst in der Gruppe. Aber du bist nicht so, du bist nicht wie sie. Denn auch mitten unter ihnen fühlst du dich allein.«
Federico war der Erste, der die wahre Francesca sah, jene, die sich hinter der Francesca verbarg, die alle sahen. Den Menschen, zu dem sie inzwischen geworden ist. Er war direkt in ihr tiefstes Inneres vorgedrungen.
Francesca fühlte sich nackt vor ihm, und in jenem Augenblick brachte sie nur wenige Worte hervor: »Hm, danke. Aber ich glaube, du irrst dich. Ich bin keine gute Läuferin…«
Das Abendessen verlief wunderbar, wir redeten über alles Mögliche. Auch das Hühnchen war genau richtig gar. Gelacht haben wir auch, als Francesca uns im Vertrauen eine Schote von ihrem einstigen Gynäkologen erzählte, der sie während der Untersuchung schon so seltsam berührte und sie im Anschluss fragte, ob sie mit ihm ausgehen wolle. Aus Gynäkologe wurde Exgynäkologe. Wir diskutierten über den weiblichen sechsten Sinn und über die unterschiedliche Sexualität von Mann und Frau. Der gesamte Sexualapparat des Mannes liegt außerhalb des Körpers, der der Frauen innerhalb: Deshalb, behauptete ich, ist es für Frauen schwieriger als für Männer, Sex zu haben. Es ist viel einfacher, zu jemandem nach Hause zu gehen als einen anderen in die eigene Wohnung einzuladen. Ich lasse niemanden gern in meine Wohnung. Ich hielt sehr viel von meiner Theorie, aber die beiden machten sich nur über mich lustig. Es war einer jener berühmten Gedanken, mit denen ich damals herumprahlte. Da einer Freundin von Francesca das Gleiche mit ihrem Psychologen passiert war, diskutierten wir darüber, welche der beiden Situationen ätzender war: wenn einer sich in deine Gehirnwindungen stiehlt oder wenn einer in deine Möse eindringt.
Wahrscheinlich ist Francesca nicht so schön, wie ich sie beschreibe oder wie ich sie sehe, aber sie ist objektiv sehr hübsch, und deshalb fragten wir sie: »Wenn selbst dein Frauenarzt es bei dir versucht hat, wie viele Männer versuchen es dann erst in deiner Bar?« Sie antwortete: »Abgesehen von Michele und den verheirateten Männern keiner.«
»Wieso ausgerechnet die verheirateten Männer?«, fragte ich.
»Es hat nichts mit mir zu tun. Wo eine Frau in sicherer Distanz zu ihnen arbeitet, laufen verheiratete Männer zu großer Form auf.«
»Apropos, weißt du schon, dass Francesca und ich in zwei Tagen auf eine Hochzeit eingeladen sind? Rat mal, wer heiratet.«
»Keine Ahnung.«
»Mein Cousin Luca und Carlotta.«
»Die heiraten? Hatten die nicht vor einem Jahr eine Krise?«, fragte Federico scheinheilig.
»Ist vorüber. Wenn du willst, sag ich ihnen, sie sollen dich auch einladen. Sie wussten nicht, dass du kommst.«
»Nein, lass mal. Ich werde sie aber anrufen und ihnen gratulieren.«
»Weißt du noch, wie wir mal ausgerissen sind, um auf Carlottas Party zu gehen?«
»Vor allem erinnere ich mich an die Ohrfeigen meines Vaters hinterher.«
»Gott sei Dank war es dein Vater, deshalb hab ich sie nicht abgekriegt.«
Giuseppe hatte unsere Flucht bemerkt und war uns abholen gekommen, und dabei hatte er uns vor allen Leuten zusammengestaucht. Was für eine Blamage! Unsere Freunde hatten ihre helle Freude. Am nächsten Tag hatte sein Vater sich nachmittags hingelegt
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