Einfach losfahren
nächsten Morgen in aller Frühe am Hafen sein mussten, beschlossen wir, schon am Abend vorher hinzufahren und dort zu übernachten.
»Lässt du mich ans Steuer? Ich hab Lust zu fahren«, sagte er beim Einsteigen.
Ich setzte mich auf den Beifahrersitz.
»Wo soll’s hingehen, nach Livorno oder nach Dänemark zu Kris und Anne?«
»Wir fahren nach Amsterdam und essen ein Stück von dem Kuchen, bei dem man immer so kichern muss.«
Federico lachte, und wir fuhren los.
»Lieber Fede, aus Anlass unserer abenteuerlichen Reise nach Livorno habe ich gestern Abend eine CD mit ein paar von unseren alten Lieblingsliedern aufgenommen. Ich habe sie schon eingelegt und überlasse dir die Ehre, auf ›Play‹ zu drücken.«
Play.
Im Auto erklang ein Piano, und Fede erkannte das Stück sofort: The Great Gig in the Sky, Pink Floyd.
Auf der CD befanden sich noch elf weitere Stücke, aber ich sagte ihm nicht, welche, damit es für ihn spannend blieb.
Der Beginn eines neuen Stücks war jedes Mal eine volle Breitseite aufs Herz, denn jedes Lied löste eine Flut von Erinnerungen aus, die uns verbanden. Nach Pink Floyd ging die Compilation wie folgt weiter:
Cry Baby, Janis Joplin
Peace Frog, The Doors
Castles Made of Sand, Jimi Hendrix
Every Breath You Take, The Police
Sultans of Swing, Dire Straits
Please Please Please Let Me…, The Smiths
Something, Beatles
Tired of Being Alone, Al Green
The Joker, The Steve Miller Band
La leva calcistica della classe ’68, Francesco De Gregori
La noia, Vasco Rossi
Die ganze Fahrt über sangen wir. Während das Auto mit voller Lautstärke die Wegstrecke schluckte, schossen wie durch einen Rückspiegel unsere gemeinsamen Erlebnisse aus alten Zeiten an uns vorbei.
Wir trafen in Livorno ein. Ich hatte vom Büro aus per Internet ein Hotel reserviert, das sich als gar nicht schlecht entpuppte. Das Hotel war voller Vertreter, die abends allein aßen, vor sich ein kleines Fläschchen Wein. Ein Anblick, bei dem es schlagartig Allerseelen wird und ich mir immer vorstelle, wie diese Männer aus Langeweile auf ihren tristen Zimmern, in denen alles aus dem gleichen Stoff gemacht ist, Tagesdecke-Vorhänge-Stühle, onanieren und ins Handtuch kommen.
Wir nahmen ein Doppelzimmer. Während Federico duschte, schaltete ich den Fernseher ein. Abgesehen von den gängigen italienischen Fernsehkanälen gab es auch ein paar ausländische. Einen französischen und einen deutschen Sender sowie das amerikanische CNN und die englische BBC . Keine spanischen. Ich schaltete BBC ein, ich wollte mal sehen, wie es um meine Englischkenntnisse bestellt war. Normalerweise verstehe ich nicht viel, nur hier und da ein paar Wörter, die ich dann irgendwie zusammenbaue, damit sie einen Sinn ergeben. Ehrlich gesagt bin ich schon höchst zufrieden, wenn ich ungefähr kapiere, worum es geht. Die Bilder sind dabei natürlich hilfreich.
Man sah Kinder, Schulklassen, Lehrer und am Ende kleine Fläschchen, die wahrscheinlich Vitamine oder Arzneimittel enthielten.
Ich war nicht besonders zufrieden mit dem Resultat meiner kleinen Englischprüfung. Zum Glück kam Fede aus dem Bad und sagte, auf das Fernsehprogramm gemünzt: »Wahnsinn. So was von widerlich!«
Offenbar sprach und verstand dieser Arsch von Federico auch recht gut Englisch. Durch Sophie hatte er Französisch gelernt, und auf den Kapverden sprach er Portugiesisch und Kreolisch. Und Spanisch hatte er in Costa Rica gelernt.
»Worum ging’s denn? Ich hab nichts verstanden.«
»Es ist zum Kotzen. Es ging darum, dass in Amerika hyperaktive Schulkinder häufig mit Amphetaminen ruhiggestellt werden und dass sie damit jetzt auch an den Schulen in Europa anfangen. Vor allem in England. Der Mann, der da eben interviewt wurde, hat herausgefunden, dass fünfzig Prozent der Kinder, die dieses Medikament bekommen haben, als Erwachsene drogenabhängig geworden sind. Uns beide hätten die damals in der Schule aber so was von mit Amphetaminen vollgestopft… da möchte man fast noch mal die Schulbank drücken.«
»Wenn Carlotta das mitkriegt, geht die glatt noch mal in die erste Klasse. Obwohl, das ist abgehakt, jetzt ist sie ja die Signora Manetti. – Bist du fertig im Bad, kann ich unter die Dusche?«
Ich duschte, dann zogen wir uns an und gingen essen.
Er bestellte sich einen Teller Linguine mit Hummer sowie einen Seebarsch in Salzkruste, ich Spaghetti alle Vongole und gegrillten Fisch.
»Ich glaube, früher oder später gehe ich auch mal auf Reisen, dann lerne ich
Weitere Kostenlose Bücher