Einfach losfahren
werden. Ein Klassiker: das Mädchen, das erst über die Stränge schlägt und sich dann wieder einreiht. Und es auch damit übertreibt.
Ein perfektes Paar. Immer zusammen. Ein paar Wochen zuvor hatte ich sie sonntags getroffen. Sie fuhren Mountainbike, beide in identischer Radlermontur, mit Helm und spaciger Sonnenbrille. Dabei sind sie beide nicht besonders sportlich. Mehr der Typ, der so tut, als ginge es auf den Mont Blanc, und zweihundert Meter weiter trifft man sie vor der nächsten Eisdiele, ein Hörnchen in der Hand, Zitrone und Erdbeer, Bacio und Fiordilatte.
Das Hochzeitspaar setzte sich, rechts und links die Eltern.
Lucas Mutter ist die Schwester meines Vaters, die, die »den Industriellen geheiratet hat«, wie meine Tanten und Großeltern immer raunten. Eine wirklich herzensgute Frau. Sie hat ihr Leben der Wohltätigkeit gewidmet, und vor ein paar Jahren hat sie sich in unserem Wahlkreis sogar als Kandidatin bei den Parlamentswahlen aufstellen lassen. Sie geht oft ins Fitnessstudio. Lucas Vater besitzt ein Unternehmen, das Gummidichtungen herstellt. Sein Bauch ist extrem behaart. Wenn man ihm ins Gesicht schaut, kriegt man Mitleid. Obwohl er auf seinem Gebiet sehr fähig ist, erweckt er den Eindruck, als müsste man ihm die Pizza in kleine Stücke schneiden, wie einem Kind. Luca ist im Schatten seines Vaters aufgewachsen und hat nie auch nur versucht, sich seine Unabhängigkeit zu erkämpfen. Unter einem großen Baum kann nicht noch ein großer Baum wachsen. Mein Cousin hat die gleiche Laufbahn wie sein Vater eingeschlagen, er hatte viel zu verlieren. Als meine Familie einmal in finanziellen Schwierigkeiten war, hat »der Industrielle« uns ein Darlehen gegeben, und dadurch fühlte er sich dann berechtigt, meinem Vater eine Standpauke zu halten und ihm gute Tipps zu geben, wie er seine Werkstatt zu führen habe. Wir werden dem Mann unserer Tante immer dankbar sein für das, was er getan hat, aber (und das sage ich aus voller Überzeugung) das macht nicht wett, dass er, Signor Achille Manetti von der Firma Manetti S.p.A., sich wie ein Arschloch verhalten hat. Und einem Arschloch dankbar sein zu müssen ist echt ätzend.
Den Platz nach den Eltern auf Lucas Seite besetzte meine Cousine Chiara. Vom Charakter her ist sie ihrem Vater Achille sehr ähnlich, das heißt, sie ist nie zufrieden. Sie hat alles, was sie sich wünscht. Bis auf Schönheit. Und nicht schön zu sein wurmt die Reichen noch mehr. Ich weiß noch, dass sie als Kind davon träumte, Gärtnerin zu werden. Sie liebte die Vielfalt der Blumen und kennt noch heute deren Namen. Schade, dass diese Leidenschaft mit dem Älterwerden verschwunden ist. Natürlich wollten die Eltern nicht, dass ihre Tochter Gärtnerin wurde, sie sollte Jura studieren. Ergebnis: ein paar Blumen weniger und eine unzufriedene Anwältin mehr.
Nach der Vorspeise wäre ich am liebsten gegangen. Nur der Kaffee hätte noch hineingepasst. Für diese Hochzeit hatten die Eltern eine Summe ausgegeben, die dem Bruttoinlandsprodukt von Nicaragua entsprochen haben dürfte. Sie wollten es an nichts fehlen lassen.
Francesca war geselliger als ich: Während ich nur hier und da ein paar Worte gesagt hatte, unterhielt sie sich angeregt mit den Leuten, die neben ihr saßen.
Ich sah mich vor allem um.
Es kam mir alles vor wie im Film, aber die Akteure sehen ja bei jeder Hochzeit mehr oder weniger gleich aus. Francesca trug ein schwarzes Kleid, das bis knapp übers Knie reichte, und normale Schuhe gleicher Farbe. Viele Frauen hatten offensichtlich eigens für diesen Anlass stundenlang beim Friseur gesessen und sich neue Frisuren machen lassen: Dauerwellen, Haarknoten, komische Locken, Verlängerungen. Manche trugen sogar Hut. Fliegende Untertassen in den Farben Gelb, Weiß und selbst Rot.
Wie üblich waren auch jene Männer zahlreich vertreten, die wie ich bei Schuhen oder Gürtel immer die falsche Farbe auswählen.
Mindestens fünf der Gäste hatten mal was mit Carlotta gehabt.
Vielleicht war ein Teil meiner schlechten Laune der Tatsache zu verdanken, dass Francesca und ich zum Zeitpunkt der Einladung noch frisch verliebt gewesen waren und unsere gesamte Freizeit miteinander verbracht hatten. Doch am Tag der Hochzeit steckten wir schon tief in der Krise. Und in Krisenzeiten soll man besser nicht auf eine Hochzeit gehen.
Irgendwann fragte die Frau mir gegenüber, ob wir verlobt seien.
»Verlobt nicht. Wir haben eine Bettgeschichte.«
Damals hielt ich mich für geistreich, doch ich
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