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Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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ihr, dass ich zurzeit alles in Frage stellte und mich eine Art persönlicher Krise veranlasst habe, mein Leben und alle Gewohnheiten umzukrempeln. Dass ich mich Hals über Kopf entschlossen hätte abzureisen, ohne darüber nachzudenken, dass ich wahrscheinlich – besser gesagt: mit Sicherheit – entlassen worden sei, dass ich kein Geld hätte und meine Zukunft völlig ungewiss sei. Dass mir klar sei, dass ich endlich nach einer Alternative zu meinem bisherigen Leben suchen müsse, damit es mir besser ginge. Und dass in dieser Zeit alles Schmerz sei, wie ich bisher gelebt hätte und noch immer lebte, ich aber auch jenes Gefühl der Freiheit empfände, das stets mit dem Neuen einhergehe. Als ich dies sagte, wurde mir bewusst, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben ohne Gewissheiten dastand, ich wusste nicht, wie es weiterging. Den Wecker zu Hause auf meinem Nachttisch hatte ich vor vielen Jahren gestellt und seither nicht mehr angerührt, außer Samstag und Sonntag klingelte er mich zuverlässig immer zur gleichen Zeit aus dem Schlaf. Jetzt war er zu Hause geblieben, und ich fühlte mich wie ein Reisender, ein Mann von Welt, ein geheimnisumwitterter Abenteurer.
    Ich atmete tief ein und lachte über meinen Zustand. Ich kam mir lächerlich vor und machte mich über mich lustig. Sophie zeigte mir die Posada und die Pläne des Projekts, die sie mit Federico angefertigt hatte, und erläuterte mir, was alles noch zu tun war. Ein ganz schöner Berg Arbeit. Dann schaute sie mich an und sagte, wenn ich wolle, könne ich bleiben. Sie habe ein freies Zimmer, das heißt, eigentlich waren alle Zimmer frei, weil sie noch nicht fertig waren. Dafür könnte ich für sie arbeiten.
    »Verrückt, ich habe gestern meine Stelle verloren, und schon heute finde ich eine neue. Nicht mal ein Tag Ferien. Abgemacht.«
    Es war, als würden wir einen geheimnisvollen Auftrag ausführen, als wäre es die natürlichste Sache von der Welt.
    Das Zimmer war ein, wie soll ich sagen, Provisorium. Das Bad lag am Ende des Flurs, und es gab kein warmes Wasser und nach sechs Uhr kein Licht. Wenn die Arbeiter Feierabend machten, schalteten sie den Generator ab. Außer mir wohnte niemand dort. Das Zimmer besaß aber etwas Wunderbares. Ein Fenster aufs Meer. Ich war der einzige Gast und damit zugleich auch Nachtwächter. Bei Kerzenlicht in einem Zimmer mit Matratze auf dem Boden und einer Obststeige als Nachttisch zu hausen gab meiner Reise einen höchst romantischen Anstrich. Sophie wohnte in einem Häuschen hundert Meter von der Posada entfernt.
    In der ersten Zeit war ich in erster Linie damit beschäftigt, mich einzuleben. Nach ein paar Tagen konnte ich sogar aufs Klo: Ich begann mich zu entspannen. Wenn ich nämlich an einen neuen Ort komme, bringe ich in den ersten Tagen nicht mal einen Hasenköttel zustande, und wenn ich nicht duschen müsste, könnte ich eigentlich ganz auf ein Bad verzichten. Bei der Arbeit machte ich neue Bekanntschaften, und mit Sophie entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis. Ich fand viel über sie heraus. Es war schön, ihrer Geschichte zu lauschen. Sie hatte ein paar Jahre als Kinderärztin in Paris gearbeitet, war aber immer weniger davon überzeugt gewesen, dass es das war, was sie machen wollte. Irgendwann verbrachte sie ihren Urlaub auf den Kapverdischen Inseln und verliebte sich in das Land. Sie fuhr nach Hause und gab alles auf.
    Was mich an ihr mit am meisten verblüffte und faszinierte, war ihre Höflichkeit. Ihre Gesten waren höflich, und sie war höflich, wenn sie sich an jemanden wandte. Nicht nur mir gegenüber, sondern allen, ausnahmslos. Auch über Federico sprachen wir ganz selbstverständlich. Seine Anwesenheit war überall wahrzunehmen. Wann immer die Rede auf Federico kam, sprachen alle mit großer Zuneigung über ihn. Es war klar, dass die Leute hier ihn sehr gemocht hatten und es noch immer taten. Er war bei uns, und wir wussten es.
    Mit dem ersten Sonnenstrahl stand ich auf, und kurz nach Einbruch der Dunkelheit ging ich schlafen. Es gefiel mir total, mich den Rhythmen von Erde und Himmel anzupassen. Ich hatte nichts, nicht mal Möbel, aber ich fühlte mich voll. Innerlich möbliert.
    Nach ein paar Wochen bekamen wir sogar elektrisches Licht, aber ich benutzte es nur selten, denn ich hatte mich ganz gut ohne eingerichtet, und es gefiel mir so. Abends aß ich häufig bei Sophie. Ich freute mich über das kollegiale Verhältnis zu den Jungs, mit denen ich zusammenarbeitete. Es war, als ginge es über die

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