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Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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Grenzen einer oberflächlichen Bekanntschaft hinaus: Wie heißt du, Woher kommst du, Was bist du von Beruf, Bist du verheiratet, Hast du Kinder. Ich kann es nicht genau erklären, aber ich war gerührt, wenn einer von ihnen mir in den ersten Tagen zum Beispiel ein Glas Wasser reichte. Die Art, wie er das tat, gab mir das Gefühl, nicht erst seit ein paar Tagen sein Freund zu sein, sondern schon immer. Eine einfache Geste, aber sie machte mich froh.
    Einer meiner Kollegen hieß Sadi. Wir mochten uns auf Anhieb. Er lächelte immer. Ihm gegenüber empfand ich ganz oft eine brüderliche Zuneigung. Seine Freundlichkeit, seine Aufmerksamkeit, seine Sensibilität beeindruckten mich. Er war verheiratet und hatte zwei kleine Kinder. Eines Tages nach der Arbeit lud er mich für den nächsten Abend zu sich nach Hause zum Essen ein. Ich sagte zu.
    Als er am nächsten Tag zur Arbeit erschien, erinnerte er mich als Erstes daran. Es machte ihn glücklich, dass ich zum Essen zu ihm kam, das sah man. So hatte ich mich noch nie gefühlt. Ich wusste nicht, was ich mitbringen sollte. Ich entschied mich für ein paar Bier. Zu Hause stellte er mich seiner Frau und seinen Kindern vor. Er war ganz aufgeregt. Zu Hause, frisch gewaschen und mit normaler Kleidung, wirkte er wie ein anderer Mensch. Alles dort war ärmlich. Die Wände, die noch gestrichen werden mussten, die Möbel, die Gläser, die nicht zusammenpassten, das Sofa, die Nippesfiguren. Und doch hatte ich mich noch nie bei jemandem zu Hause so wohl gefühlt wie an diesem Abend bei Sadi. Alles war so menschlich, uneigennützig freundlich. Der wahre Reichtum, heißt es, besteht in der Fähigkeit, großzügig zu sein. Sadi war ein reicher Mensch.
    Auch nach der Arbeit verbrachten wir viel Zeit zusammen. Manchmal sonntags fuhr ich mit Sadi, Frau und Kindern auf Besuch zu seiner Mutter. Da erschienen dann auch seine Brüder und Schwestern mit Kind und Kegel, und schließlich war es ein einziges Gewusel. Es wurde gegessen, getrunken und Gitarre gespielt, alle waren zusammen. Meine Anwesenheit unter ihnen war völlig normal. Einfach einer mehr. Sadi stellte mich seinen Verwandten vor, und schon sahen sie in mir einen der Ihren, gehörte ich zur Familie. Oft ging ich auch sonntags vormittags mit Sadi fischen. Wir fuhren mit seinem Freund Stra hinaus. Ich fand es toll, einen Fisch zu essen, den ich selbst gefangen hatte.
    Stra war ein echter Experte, er suchte die Stellen aus, er beköderte und legte die Angeln aus, er holte die Fische ein, putzte und briet sie. Ich stand ein wenig im Weg herum, dafür machte ich mich beim Verspeisen nützlich. In dieser Zeit hatte ich immer einen guten Appetit. Ich aß gern. Das musste auch Sadi aufgefallen sein, denn unter der Woche brachte er mir oft Essen mit auf die Posada, das seine Frau gekocht hatte. Oder er brachte es als Vorwand gleich bei mir vorbei, und dann tranken wir ein Bier zusammen und unterhielten uns. Wir redeten eine Mischsprache: ein bisschen Italienisch, ein bisschen Portugiesisch, ein bisschen Kreolisch, aber irgendwie verstanden wir uns immer und hatten viel zu lachen. Vor allem er lachte oft, und sein Gesicht war so sympathisch, das man ihn einfach gern haben musste.
    Eines Tages entdeckte er mein Handy auf dem Tisch. Seit meiner Abreise lag es ausgeschaltet da. Ich hatte es nur ein paarmal eingeschaltet, um nachzuschauen, ob mir jemand eine Nachricht gesendet hatte, ob man mich suchte. Eine Schwäche, ich weiß, aber danach hatte ich sofort wieder ausgeschaltet und mir geschworen, es bis zu meiner Rückkehr nicht mehr anzurühren.
    Als Sadi das Handy sah, sagte er, Federico habe ihm eins aus Italien mitbringen wollen.
    Ich fand es seltsam, dass Sadi ein Handy besitzen wollte. Ich hätte gedacht, so etwas könne ihn doch nicht interessieren.
    Er stand auf und ging auf Toilette. Wir waren inzwischen schon beim dritten Bier.
    Ich schaute das Handy an, nahm es in die Hand und schaltete es ein.
    Auf dem Display erschien der Schriftzug » CPV Movel«, so hieß die Mobiltelefongesellschaft der Kapverden.
    Ich scrollte die Namen im Telefonbuch durch. Es waren fast hundert, aber mit niemandem hätte ich sprechen mögen.
    Nicht mal mit den engsten Freunden.
    Und schon gar nicht mit denen, die einen Zusatz hinter dem Namen verpasst bekommen hatten: Fede Piazza, Monica Smart, Luisa Fitness, Lara Marmorarsch, Elena blond, Cristina blauer Polo, Elisa Friseuse.
    Wer weiß, unter welchem Namen ich in anderer Leute Telefonbuch gespeichert bin:

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