Einfach neugierig
habe mich schon um etwas anderes bemüht, aber erfolglos. Das Haus ist voll. Jedes Bett, jede Couch, jedes Gitterbettchen ist bereits in Beschlag genommen. Aber falls Sie befürchten, ich könnte Sie nachts überfallen, kann ich versuchen, ein Hotelzimmer für Sie zu bekommen.«
Er hatte etwas an sich, das sie immer wieder zu ungewohnten Reaktionen veranlaßte. »Wenn das Haus voll ist, werden meine Schreie wenigstens gehört.«
Er lächelte sie schief an und begann sich das Hemd aufzuknöpfen. »Jetzt sollte ich wohl erst einmal unter die Dusche. Der Probelauf für die Hochzeit beginnt in einer Stunde.« Er sah sie an, als wäre sie die Heldin eines viktorianischen Romans, die schon bei der Vorstellung, ein Mann könnte sich entkleiden, fluchtartig den Raum verließ. Aber sie dachte gar nicht daran, sich von ihm einschüchtern zu lassen. »Dampfen Sie bitte den Spiegel nicht so ein«, sagte sie und tat so, als würde es ihr nichts ausmachen, das Zimmer mit einem fremden Mann zu teilen.
Schmunzelnd verschwand er im Bad und ließ die Tür einen Spaltbreit offenstehen, damit der Dampf entweichen konnte.
Als er außer Sicht war, atmete Karen tief durch und blickte sich erst einmal um. Der Raum war ganz in grüner Seide gehalten und mit Möbeln aus der Zeit des Bürgerkriegs eingerichtet. Als sie die Dusche rauschen hörte, machte sie sich ans Auspacken. Zu spät bemerkte sie, daß sie aus reiner Gewohnheit auch gleich Taggerts Koffer geleert hatte. Sie stellte seine Schuhe in den Schrank neben ihre und wäre fast in Tränen ausgebrochen. Es war schon so lange her, seit sie Männerschuhe neben ihre geparkt hatte.
Als sie sich umdrehte, stand da Taggert mit feuchten Haaren und in einem Frotteemantel. Und er beobachtete sie. „Ich ... äh, ich wollte Ihren Koffer gar nicht auspacken, aber ... äh, reine Gewohnheit«, stotterte sie, bevor sie im Bad verschwand und die Tür fest hinter sich schloß.
Sie ließ sich möglichst lange Zeit und stellte tief befriedigt fest, daß er nicht mehr da war, als sie das Bad endlich verließ. Schnell zog sie sich an und eilte die Treppe hinunter, um sich der Hochzeitsgesellschaft anzuschließen, die bereits die Autos bestieg, um für die »Generalprobe« zur Kirche zu fahren. Auf dem Weg zur Kirche nahm ihre Verärgerung über Taggert zu. Wenn sie schon seine Verlobte spielen wollte, müßte er ihr dann nicht zumindest ein wenig Aufmerksamkeit widmen? Statt dessen setzte er sie vor dem Portal ab und überließ es ihr, sich unter all den Fremden allein zurechtzufinden.
Aber dann ging alles ganz glatt, bis zu dem Punkt, als Taggert das Gotteshaus wieder verlassen sollte. Er sollte auf Karen zugehen, ihr den Arm reichen, um dann mit ihr über den Mittelgang hinauszuschreiten. Vielleicht hatte er nicht richtig hingehört, jedenfalls lief er allein los, ohne Karen. Das war zuviel für sie. »Man weiß ja, wie Taggert ist«, sagte sie, »er hält sich selbst für seinen besten Partner.« Jedermann lachte schallend. Taggert drehte sich um und erkannte seinen Fehler. Mit geheuchelter Galanterie kam er zurück, verneigte sich und bot Karen den Arm.
»Wollen Sie mir die ganzen Überstunden am Wochenende heimzahlen?« flüsterte er ihr zu.
»Ich zahle Ihnen Ihr Verhalten gegenüber all den Frauen heim, die zu schüchtern waren, sich gegen Sie zu wehren«, lächelte sie mutwillig.
»Ich bin nicht das Ungeheuer, für das Sie mich halten.« »Dazu würde ich gern Elaines Meinung hören. Wann kommt sie eigentlich?«
Ein Blick in sein Gesicht ließ Karen ihre Frage bereuen.
»Am ersten Feiertag«, sagte er leise, als sie die Kirchentür erreicht hatten, und wandte sich von ihr ab.
Das Dinner wurde zu einer sehr geräuschvollen Angelegenheit, bei dem alle zur gleichen Zeit über Ferien redeten, die man zusammen verbracht, oder Orte, die man gemeinsam besucht hatte. Zunächst konzentrierte sich Karen auf ihr Essen und beteiligte sich nicht an der Unterhaltung der Menschen, die einander so gut kannten. Taggert saß am anderen Ende des Tisches, und auch er war sehr ruhig. Dann und wann blickte Karen zu ihm hin und dachte, er würde sie ansehen, aber er wandte so schnell die Augen wieder ab, daß sie sich nicht sicher sein konnte.
»Karen«, fragte eine der Frauen, und plötzlich wurde es ganz still am Tisch, »wo ist eigentlich Ihr Verlobungsring?« Sie zögerte keine Sekunde. »Taggert hat den gesamten Bestand des Juweliergeschäftes ausgekauft, daher müssen sie auf eine neue Lieferung
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