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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Behörden zu übergeben.« Er holte aus der Tasche seiner Rockschöße ein langes Messer mit Horngriff, das rot verschmiert war, und reichte es höflich dem Sergeanten. Dann trat er wieder zurück, und die Augenschlitze verschwanden in einem fetten chinesischen Hohngrinsen fast von seinem Gesicht.
    Merton wurde es bei seinem Anblick nahezu übel, und er murmelte Gilder zu: »Sie werden doch sicher Fräulein Armstrongs Wort gegen das seine gelten lassen?«
    Father Brown hob plötzlich ein so absurd frisch wirkendes Gesicht hoch, daß es irgendwie aussah, als habe er es gerade erst gewaschen. »Ja«, sagte er und strahlte Unschuld aus, »aber steht Fräulein Armstrongs Wort gegen seines?«
    Das Mädchen stieß einen erschreckten sonderbaren kleinen Schrei aus; jeder sah sie an. Ihre Gestalt war steif wie gelähmt; nur ihr Gesicht in seinem Rahmen aus schwachbraunem Haar war lebendig vor entsetztem Erstaunen. Sie stand da wie plötzlich mit dem Lasso eingefangen und gewürgt.
    »Dieser Mann«, sagte Mr. Gilder feierlich, »hat soeben gesagt, daß Sie nach dem Mord gefunden wurden, bewußtlos und ein Messer umklammernd.«
    »Er sagt die Wahrheit«, antwortete Alice.
    Die nächste Tatsache, derer sie sich bewußt wurden, war, daß Patrick Royce mit seinem mächtigen vornübergebeugten Kopf in ihren Kreis trat und die einzigartigen Worte äußerte: »Na schön, wenn ich denn gehen muß, will ich aber vorher noch ein bißchen Spaß haben.«
    Seine mächtige Schulter hob sich, und seine eiserne Faust krachte in Magnus’ mildes Mongolengesicht und schleuderte ihn wie einen Seestern auf den Rasen. Zwei oder drei Polizisten legten sofort Hand an Royce; den anderen aber erschien es, als sei alle Vernunft verlorengegangen und das Universum verwandle sich in ein sinnloses Possenspiel.
    »Nichts dergleichen, Mr. Royce«, hatte Gilder gebieterisch gerufen. »Ich werde Sie wegen Körperverletzung festnehmen.«
    »Werden Sie nicht«, antwortete der Sekretär mit einer Stimme wie ein eiserner Gong; »Sie werden mich wegen Mord festnehmen.«
    Gilder warf einen besorgten Blick auf den niedergeschlagenen Mann; aber da diese mißhandelte Person bereits wieder aufrecht dasaß und sich ein bißchen Blut aus dem fast unverletzten Gesicht wischte, sagte er nur kurz: »Was meinen Sie damit?«
    »Es stimmt schon, was dieser Bursche da gesagt hat«, erklärte Royce, »daß Fräulein Armstrong mit einem Messer in der Hand ohnmächtig wurde. Aber sie hatte das Messer nicht ergriffen, um ihren Vater anzugreifen, sondern um ihn zu verteidigen.«
    »Ihn zu verteidigen«, wiederholte Gilder feierlich. »Und gegen wen?«
    »Gegen mich«, antwortete der Sekretär.
    Alice sah ihn mit einem erstaunten und bestürzten Gesicht an; dann sagte sie mit leiser Stimme: »Ich bin doch froh, daß Sie so mutig sind.«
    »Kommen Sie rauf«, sagte Patrick Royce schwerfällig, »und ich werde Ihnen die ganze verdammte Sache zeigen.«
    Die Dachkammer war das Privatzimmer des Sekretärs (und eine wahrhaft schmale Zelle für einen so breiten Eremiten) und zeigte alle Spuren eines gewaltsamen Dramas. Nahe der Mitte des Fußbodens lag ein großer Revolver, als sei er weggeworfen worden; nach links war eine Whiskyflasche gerollt, offen aber nicht ganz leer. Das Tischtuch des kleinen Tisches war herabgerissen und zertrampelt, und ein Stück Strick von der Art des an dem Toten gefundenen war wirr über das Fensterbrett geschleudert worden. Zwei Vasen waren auf dem Kaminsims zerschmettert worden, und eine auf dem Teppich.
    »Ich war betrunken«, sagte Royce. Und diese Schlichtheit des vorzeitig zerstörten Mannes hatte etwas von dem Pathos der ersten Sünde eines kleinen Kindes.
    »Sie alle kennen mich«, fuhr er heiser fort; »jeder weiß, wie meine Geschichte angefangen hat, und so mag sie denn auch entsprechend enden. Man hat mich früher einen klugen Mann genannt, und vielleicht wäre ich auch ein glücklicher Mann geworden ; Armstrong rettete die Überreste eines Gehirns und eines Körpers aus den Kneipen und war auf seine Weise immer freundlich zu mir, der arme Kerl! Nur, er wollte mich Alice nicht heiraten lassen; und man wird immer behaupten, daß er damit recht hatte. Nun, Sie können sich Ihre eigene Meinung bilden und werden nicht wollen, daß ich in Details gehe. Das ist meine Whiskyflasche, die da halbgeleert in der Ecke liegt; das ist mein Revolver, der da ganz geleert auf dem Teppich liegt. Es war vom Strick aus meiner Kiste, was man an dem Leichnam gefunden

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