Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
Vom Netzwerk:
Racheschwüre gegen Mr. Glass wegen Mordes, und gegen Mr. Todhunter wegen Sichermordenlassens, oder gegen die Kühnheit des letzteren, ihre Tochter heiraten zu wollen, und seine Unfähigkeit, dafür lange genug zu leben. Sie gingen durch den engen Durchgang an der Vorderseite des Hauses, bis sie zur Tür des Einmieters an der Hinterseite kamen, und da warf Dr. Hood mit der Praxis des alten Detektivs seine Schulter scharf gegen das Türpaneel und brach die Tür auf.
    Sie öffnete sich auf eine Szene der schweigenden Katastrophe. Keiner, der sie auch nur für einen Augenblick sah, konnte daran zweifeln, daß das Zimmer die Bühne eines schauerlichen Zusammenstoßes zwischen zwei oder vielleicht noch mehr Personen gewesen war. Spielkarten lagen über Tisch und Boden verstreut, als ob ein Spiel unterbrochen worden wäre. Zwei Weingläser standen in Erwartung des Weines auf einem Beisetztisch bereit, doch ein drittes lag, zu einem Stern von Kristallsplittern zerschmettert, auf dem Teppich. Einige Schritte weiter lag etwas wie ein langes Messer oder ein kurzes Schwert, gerade, aber mit reich verziertem und bemaltem Griff; die matte Klinge fing einen grauen Schimmer vom trüben Fenster dahinter ein, durch das man die schwarzen Bäume gegen die bleierne Fläche der See sah. In die gegenüberliegende Zimmerecke war der Seidenzylinder eines Gentlemans gerollt, als habe man ihn soeben erst von seinem Kopf herabgeschlagen; geradezu so deutlich, daß man fast vermeinte, ihn immer noch rollen zu sehen. Und in der Ecke dahinter lag, hingeworfen wie ein Sack Kartoffeln, aber verschnürt wie ein Eisenbahnkoffer, Mr. James Todhunter, mit einem Schal über dem Mund und sechs oder sieben Schlingen um Ellenbogen und Knöchel. Seine braunen Augen waren lebendig und bewegten sich wachsam.
    Dr. Orion Hood hielt für einen Augenblick auf der Türmatte inne und nahm die ganze Szene stimmloser Gewalt in sich auf. Dann schritt er schnell über den Teppich, hob den hohen Seidenhut auf und stülpte ihn feierlich auf den Kopf des immer noch gefesselten Todhunter. Er war für ihn so sehr zu groß, daß er ihm fast bis auf die Schultern rutschte.
    »Der Hut von Mr. Glass«, sagte der Doktor, der mit ihm zurückkam und sein Inneres mit einer Taschenlampe untersuchte. »Wie soll man die Abwesenheit von Mr. Glass und die Anwesenheit des Huts von Mr. Glass erklären? Denn Mr. Glass geht mit seiner Kleidung nicht unachtsam um. Dieser Hut ist von modischer Form und systematisch gebürstet und gepflegt, wenngleich nicht gerade neu. Ein alter Lebemann, sollte ich meinen.«
    »Aber um Himmels willen!« rief Miss MacNab, »wollen Sie denn den Mann nicht zuerst losbinden?«
    »Ich sagte ›alter‹ mit Absicht, obwohl nicht mit Sicherheit«, fuhr der Erläuterer fort; »mein Grund dafür mag etwas weit hergeholt erscheinen. Das Haar des Menschen fällt in sehr unterschiedlichem Maße aus, aber es fällt immer aus, und durch die Lupe sollte ich die feinen Haare in einem kürzlich getragenen Hut sehen können. Da sind aber keine, was mich zu der Vermutung bringt, daß Mr. Glass kahl ist. Wenn man dies nun mit der hohen und streitsüchtigen Stimme zusammenbringt, die Miss MacNab so lebhaft beschrieben hat (Geduld, meine liebe Dame, Geduld), wenn wir den kahlen Kopf mit dem Tonfall greisenhaften Zorns zusammenbringen, dann können wir daraus, meine ich, auf einen gewissen Vorschritt in den Jahren schließen. Dennoch war er vermutlich kraftvoll und fast mit Sicherheit hochgewachsen. Ich könnte mich dabei in gewissem Maße auf den Bericht über sein früheres Auftauchen am Fenster stützen, als großgewachsener Mann mit Zylinder, aber ich glaube, daß ich einen genaueren Hinweis habe. Dieses Weinglas ist über das ganze Zimmer zersplittert, aber einer der Splitter liegt oben auf der hohen Konsole neben dem Kaminsims. Kein solches Bruchstück könnte dorthin gefallen sein, wenn das Gefäß in der Hand eines verhältnismäßig kurzen Mannes wie Mr. Todhunter zerbrochen wäre.«
    »Übrigens«, fragte Father Brown, »könnten wir Mr. Todhunter nicht ebensogut losbinden?«
    »Unsere Lektion aus den Trinkgefäßen ist damit nicht beendet«, fuhr der Spezialist fort. »Ich will gleich sagen, daß der Mann Glass möglicherweise eher durch Ausschweifungen denn durch Alter kahl und nervös wurde. Es wurde gesagt, daß Mr. Todhunter ein ruhiger, sparsamer Mann ist, im wesentlichen ein Abstinenzler. Diese Spielkarten und Weinkelche gehören nicht zu seinen Gepflogenheiten ;

Weitere Kostenlose Bücher