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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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kann und die jedermann befriedigen könnte. Mich befriedigt sie nicht.«
    »Mich auch nicht«, erwiderte Flambeau stirnrunzelnd, während der andere weiter Fisch aß mit dem Ausdruck der vollkommenen Resignation. »Wenn Ihre ganzen Überlegungen auf die Vorstellung einer Botschaft hinauslaufen, die durch Widersprüche übermittelt wird, dann nenne ich das ungewöhnlich schlau, aber… na ja, wie würden Sie das nennen?«
    »Ich würde es fadenscheinig nennen«, sagte der Priester prompt. »Ich würde es ungewöhnlich fadenscheinig nennen. Aber das ist ja das Sonderbare an der ganzen Geschichte. Das ist wie die Lüge eines Schuljungen. Wir haben lediglich drei Versionen, die von Dubosc und die von Hirsch und meine Hirngespinste. Entweder wurde diese Notiz von einem französischen Offizier geschrieben, um einen französischen Beamten zu vernichten; oder sie wurde von dem französischen Beamten geschrieben, um den deutschen Offizieren zu helfen; oder sie wurde von dem französischen Beamten geschrieben, um die deutschen Offiziere in die Irre zu führen. Na schön. Nun würde man aber erwarten, daß ein Geheimpapier zwischen solchen Leuten, Beamten oder Offizieren, ganz anders aussieht. Man würde vielleicht einen Geheimcode erwarten, sicherlich Abkürzungen; ganz sicherlich wissenschaftliche und höchst professionelle Bezeichnungen. Aber dieses Ding ist ausgeklügelt simpel, wie ein Groschenroman: ›In der purpurnen Grotte findest du das goldene Kästchen.‹ Sieht so aus, als ob… als ob es auf den ersten Blick durchschaut werden sollte.«
    Fast noch ehe sie sie wahrnehmen konnten, war eine kleine Gestalt in französischer Uniform wie der Wind zu ihrem Tisch herangelaufen und ließ sich mit einer Art Plumps nieder.
    »Ich habe außerordentliche Neuigkeiten«, sagte der Herzog de Valognes. »Ich komme gerade von diesem unserem Oberst. Er packt, um das Land zu verlassen, und er bittet uns, ihn sur le terrain zu entschuldigen.«
    »Was?« schrie Flambeau in schrecklicher Ungläubigkeit – »entschuldigen?«
    »Ja«, sagte der Herzog rauh; »dann und da – vor allen – sobald die Degen gezogen werden. Und Sie und ich haben das zu tun, während er das Land verläßt.«
    »Aber was kann das bedeuten?« schrie Flambeau. »Er kann doch keine Angst vor diesem kleinen Hirsch haben! Verflucht!« schrie er in einer Art vernünftiger Wut. »Niemand kann vor Hirsch Angst haben!«
    »Ich glaube, das ist irgendeine Verschwörung!« knurrte Valognes, »eine Verschwörung der Juden und der Freimaurer. Und das soll Hirsch Ruhm verschaffen…«
    Father Browns Gesicht sah gewöhnlich aus, aber sonderbar zufrieden; es konnte vor Unverständnis strahlen wie vor Wissen. Aber es gab da immer ein Aufleuchten, wenn die Maske der Dummheit sank und die Maske der Weisheit an ihre Stelle kam; und Flambeau, der seinen Freund kannte, wußte, daß sein Freund plötzlich verstanden hatte. Brown sagte nichts, sondern beendete seine Fischplatte.
    »Wo haben Sie unseren wertvollen Oberst zuletzt gesehen?« fragte Flambeau irritiert.
    »Drüben im Hotel St. Louis beim Elysée, wohin wir mit ihm gefahren sind. Ich sagte Ihnen doch, er packt.«
    »Glauben Sie, daß er immer noch da ist?« fragte Flambeau und blickte stirnrunzelnd den Tisch an.
    »Ich glaube nicht, daß er schon weg ist«, erwiderte der Herzog; »er packt für eine lange Reise…«
    »Nein«, sagte Father Brown einfach, stand aber plötzlich auf, »für eine sehr kurze Reise. Tatsächlich für eine der kürzesten überhaupt. Aber wenn wir uns ein Taxi nehmen, können wir noch rechtzeitig hinkommen.«
    Darüber hinaus war nichts aus ihm herauszubringen, bis das Taxi um die Ecke vors Hotel St. Louis fegte, wo sie ausstiegen, und dann führte er die Gruppe in eine Seitengasse, die bereits im tiefen Schatten der sinkenden Dunkelheit lag. Einmal, als der Herzog ungeduldig fragte, ob Hirsch denn nun des Verrates schuldig sei oder nicht, antwortete er ziemlich geistesabwesend: »Nein; nur des Ehrgeizes – wie Caesar.« Dann fügte er etwas zusammenhanglos hinzu: »Er lebt ein sehr einsames Leben; er hat immer alles selbst tun müssen.«
    »Na schön, wenn er ehrgeizig ist, dann sollte er jetzt zufrieden sein«, sagte Flambeau ziemlich bitter. »Ganz Paris wird ihm jetzt zujubeln, nachdem unser verfluchter Oberst den Schwanz eingekniffen hat.«
    »Sprechen Sie nicht so laut«, sagte Father Brown und senkte die Stimme; »Ihr verfluchter Oberst ist direkt vor uns.«
    Die beiden anderen fuhren

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