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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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eigenartige psychologische Geschichte von Henry James gelesen, in der sich zwei Personen ständig durch Zufall verpassen, so daß sie schließlich beginnen, voreinander Angst zu empfinden und es für Schicksal halten? Hier ist das ähnlich, nur noch eigenartiger.«
    »In Paris gibt es genug Leute, die sie von so morbiden Phantasien heilen werden«, sagte Valognes rachsüchtig. »Sie werden sich schon begegnen müssen, wenn wir sie fassen und zu fechten zwingen.«
    »Sie werden sich selbst am Tag des Jüngsten Gerichts nicht begegnen«, sagte der Priester. »Und selbst wenn Gott der Allmächtige den Heroldsstab schwänge und Sankt Michael die Trompete zum Kreuzen der Schwerter bliese – selbst dann würde, wenn der eine bereitsteht, der andere nicht erscheinen.«
    »Was sollen denn all diese mystischen Bemerkungen bedeuten?« rief der Herzog de Valognes ungeduldig. »Warum in aller Welt sollten sie sich nicht wie andere Leute begegnen?«
    »Sie sind jeder das Gegenteil des anderen«, sagte Father Brown mit sonderbarem Lächeln. »Sie widersprechen einander. Sie schließen einander sozusagen aus.«
    Er fuhr fort auf die dunkelnden Bäume gegenüber zu starren, aber Valognes fuhr auf einen unterdrückten Ausruf Flambeaus hin jäh mit dem Kopf herum. Dieser Detektiv hatte, während er in den erleuchteten Raum hineinspähte, eben noch gesehen, wie sich der Oberst nach ein oder zwei Schritten daran machte, den Rock abzulegen. Flambeaus erster Gedanke war, daß das jetzt wirklich nach einem Duell aussah; aber er ließ diesen Gedanken bald wieder zugunsten eines anderen fallen. Die mächtige Brust von Dubosc und seine breiten Schultern waren nichts anderes als eine kräftige Schicht Wattierung und wurden mit der Jacke abgelegt. In Hemd und Hose war er ein verhältnismäßig schlanker Gentleman, der durch das Schlafzimmer dem Badezimmer mit keinen grimmigeren Absichten zustrebte, als sich zu waschen. Er beugte sich über ein Becken, trocknete seine tropfenden Hände und sein Gesicht an einem Handtuch ab und wandte sich wieder um, so daß der helle Lampenschein auf sein Gesicht fiel. Die braune Haut war verschwunden, sein großer schwarzer Schnurrbart war verschwunden; er war glatt rasiert und sehr blaß. Nichts blieb von dem Oberst als seine hellen, falkengleichen braunen Augen. Unter der Mauer fuhr Father Brown in tiefem Nachdenken wie zu sich selbst fort:
    »Es ist genau so, wie ich zu Flambeau gesagt habe. Diese Gegensätze tun es nicht. Sie funktionieren nicht. Sie kämpfen nicht. Wenn es weiß statt schwarz ist, und fest statt flüssig, und so immer wieder und in allem – dann ist da was falsch, Monsieur, dann ist da was falsch. Einer dieser Männer ist blond und der andere dunkel, einer stämmig und der andere schlank, einer stark und der andere schwach. Der eine hat einen Schnurrbart und keinen Bart, so daß man seinen Mund nicht sehen kann; der andere hat einen Bart und keinen Schnurrbart, so daß man sein Kinn nicht sehen kann. Der eine hat sein Haar bis auf den Schädel kurz geschoren, aber einen Schal, um seinen Hals zu verbergen; der andere hat weiche Hemdenkragen, aber langes Haar, um seinen Schädel zu verbergen. Das alles ist zu sauber und zu korrekt, Monsieur, und da ist irgendwas falsch. Dinge, die so entgegengesetzt gemacht sind, sind Dinge, die nicht miteinander streiten können. Wo immer der eine herauskommt, verschwindet der andere. Wie Gesicht und Maske, wie Schloß und Schlüssel…«
    Flambeau starrte in das Haus mit einem Gesicht so weiß wie ein Blatt Papier. Der Bewohner des Raumes stand mit dem Rücken zu ihm, aber mit dem Gesicht zu einem Spiegel, und er hatte sich inzwischen einen Kranz von üppigem rotem Haar ums Gesicht gelegt, das unordentlich vom Kopf herabhing und um Kiefer und Kinn ging, aber den spöttischen Mund unbedeckt ließ. So im Spiegel gesehen, sah das weiße Gesicht wie das Gesicht Judas’ aus, das schrecklich lachte und von den wabernden Flammen der Hölle umgeben war. Für einen Augenblick sah Flambeau die wilden rotbraunen Augen tanzen, dann wurden sie mit einem Paar blauer Brillengläser bedeckt. Und während sie sich eine lose schwarze Jacke überzog, verschwand die Gestalt zur Vorderseite des Hauses hin. Wenige Augenblicke später kündete donnernder Applaus von der jenseitigen Straße davon, daß Dr. Hirsch erneut auf dem Balkon erschienen war.
     

Der Mann in der Passage
     
    Z wei Männer tauchten gleichzeitig an den zwei Enden einer Art von Passage auf, die seitlich

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