Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
zusammen und zogen sich tiefer in den Schatten der Mauer zurück, denn man konnte tatsächlich die stämmige Gestalt ihres entwichenen Duellanten erkennen, wie sie mit einer Reisetasche in jeder Hand im Zwielicht vor ihnen dahinschlurfte. Er sah fast genau so aus wie zu der Zeit, da sie ihn zum ersten Mal sahen, nur hatte er seine malerische Bergsteigerhose gegen normale Hosen getauscht. Es war ganz klar, daß er bereits aus dem Hotel geflohen war.
Die Gasse, durch die sie ihm folgten, war eine von jenen, die hinter dem Rücken der Dinge vorüberzulaufen scheinen und aussehen wie die falsche Seite einer Bühnendekoration. Eine farblose ununterbrochene Mauer erstreckte sich an der einen Seite, ab und zu von stumpffarbenen und schmutzfleckigen Türen unterbrochen, alle fest geschlossen und gesichtslos, abgesehen von einigen Kreidekritzeleien herumstreunender »gamins«. Wipfel von Bäumen, meist reichlich traurigen immergrünen, blickten in Abständen über die Mauer, und hinter ihnen konnte man vor der grauen und purpurnen Dämmerung die Rückseiten langer Terrassen hoher Pariser Häuser sehen, in Wirklichkeit ziemlich nahe, aber irgendwie sahen sie ebenso unzugänglich aus wie eine Kette marmorner Berge. Auf der anderen Seite der Gasse verliefen die hohen vergoldeten Gitter eines düsteren Parks.
Flambeau sah sich etwas beklommen um. »Wissen Sie«, sagte er, »irgendwas ist mit diesem Ort, das – «
»Hallo!« rief der Herzog scharf. »Der Kerl ist verschwunden. Verschwunden wie so ‘n verdammtes Gespenst!«
»Er hat einen Schlüssel«, erklärte ihr kirchlicher Freund. »Er ist nur durch eines dieser Gartentörchen eingetreten«, und noch während er sprach, hörten sie vor sich, wie sich eine der hölzernen Gartentüren mit einem Klicken schloß.
Flambeau trat auf die Tür zu, die sich ihm fast ins Gesicht hinein geschlossen hatte, und stand für einen Augenblick vor ihr, während er seinen Schnurrbart in wütender Neugier zerkaute. Dann warf er seine langen Arme empor, schwang sich daran wie ein Affe hoch und stand auf der Mauerkrone, seine riesige Gestalt dunkel vor dem purpurnen Himmel, wie eine der dunklen Baumkronen.
Der Herzog sah den Priester an. »Die Flucht von Dubosc ist ausgeklügelter, als wir gedacht haben«, sagte er; »aber ich vermute, daß er aus Frankreich fliehen will.«
»Er will aus allem fliehen«, antwortete Father Brown.
Valognes Augen leuchteten auf, aber seine Stimme wurde leise. »Sie meinen Selbstmord?« fragte er.
»Sie werden seinen Körper nicht finden«, erwiderte der andere.
Flambeau auf der Mauer oben stieß eine Art Schrei aus. »Mein Gott«, rief er auf französisch, »jetzt weiß ich, wo wir sind! Das ist die Straße hinter dem Haus, in dem der alte Hirsch wohnt. Ich habe immer geglaubt, ich könnte die Rückseite eines Hauses ebensogut erkennen wie die Rückseite eines Mannes.«
»Und Dubosc ist da reingegangen!« schrie der Herzog und klatschte sich auf die Schenkel. »Dann begegnen sie sich schließlich also doch!« Und mit plötzlicher gallischer Lebhaftigkeit sprang er auf die Mauer neben Flambeau und hockte da und strampelte tatsächlich vor Aufregung mit den Beinen. Der Priester allein blieb unten, und er lehnte an der Mauer mit dem Rücken zur Bühne all der Ereignisse, und blickte nachdenklich auf die Gatter des Parks und die im Zwielicht zwinkernden Bäume.
Der Herzog, wie aufgeregt auch immer, besaß die Instinkte des Aristokraten und wollte das Haus beobachten, aber es nicht ausspionieren ; Flambeau jedoch besaß die Instinkte eines Einbrechers (und Detektivs) und hatte sich bereits von der Mauer in die Gabelung eines üppigen Baumes geschwungen, von wo aus er ganz nahe an das einzige erleuchtete Fenster auf der Rückseite des hohen dunklen Hauses herankriechen konnte. Eine rote Jalousie war vor dem Licht herabgezogen worden, aber unordentlich, so daß sie an einer Seite aufklaffte, und indem er seinen Hals auf einem Ast riskierte, der so zuverlässig wie ein Zweig wirkte, konnte er gerade noch sehen, wie Oberst Dubosc in einem hell erleuchteten luxuriösen Schlafzimmer umherging. Wie nahe Flambeau aber auch dem Hause war, er konnte doch die Worte seiner Freunde an der Mauer hören, und er wiederholte sie leise.
»Ja, sie begegnen sich jetzt doch noch!«
»Sie werden sich niemals begegnen«, sagte Father Brown. »Hirsch hatte recht, als er sagte, in einer solchen Angelegenheit dürften sich die Kontrahenten nicht begegnen. Haben Sie nie die
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