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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Es stimmt, daß ich zwei andere Herren gebeten habe, sich an meiner Stelle mit ihm zu treffen. Und ich will euch sagen warum! Weil ich ihn nicht sehen will und nicht sehen darf – denn ihn zu sehen wäre gegen alle Regeln der Würde und der Ehre. Bevor ich aber durch einen Gerichtshof im Triumph von allen Anwürfen gereinigt werde, schuldet dieser Ehrenmann mir als Ehrenmann eine andere Art der Genugtuung, und wenn ich ihn an meine Sekundanten verweise, so folge ich genauestens – «
    Armagnac und Brun schwenkten wild ihre Hüte, und selbst die Gegner des Doktors brüllten dieser unerwarteten Herausforderung Beifall. Wieder waren einige Sätze unhörbar, aber dann konnte man ihn sagen hören: »…meinen Freunden – ich selbst würde immer rein geistige Waffen vorziehen, und eine entwickelte Menschheit wird sich eines Tages sicherlich auf sie beschränken. Nun ist aber unsere wertvollste Wahrheit die Grundmacht von Materie und Vererbung. Meine Bücher sind erfolgreich; meine Theorien sind unwiderlegt; aber in der Politik leide ich unter einem geradezu physischen Vorurteil der Franzosen. Ich kann nicht reden wie Clemenceau und Déroulède, denn ihre Worte sind wie der Widerhall ihrer Pistolen. Die Franzosen gieren nach Duellanten wie die Engländer nach Sportlern. Nun gut, ich will die Probe aufs Exempel ablegen: Ich werde diese barbarische Bestechung bezahlen und dann für den Rest meines Lebens zur Vernunft zurückkehren.«
    Sofort fanden sich in der Menge selbst zwei Männer, die Oberst Dubosc ihre Dienste anboten, der kurz darauf befriedigt herauskam. Der eine war der gemeine Soldat mit dem Kaffee, der einfach sagte: »Ich stehe zu Ihrer Verfügung, mein Herr. Ich bin der Herzog de Valognes.« Der andere war der große Mann, den sein Freund der Priester zunächst davon abzubringen suchte, ehe er dann allein von dannen schritt.
    Am frühen Abend wurde hinten im Café Charlemagne ein leichtes Abendessen aufgetragen. Obwohl nicht überdacht durch Glas oder vergoldeten Stuck, befanden sich fast alle Gäste unter einem zarten unregelmäßigen Dach aus Laub; denn die dekorativen Bäume standen so dicht um die Tische und zwischen ihnen, daß sie den Dämmer wie den Schimmer eines lauschigen Haines verbreiteten. An einem der Mitteltische saß ein sehr stämmiger kleiner Priester in vollständiger Einsamkeit und widmete sich mit der feierlichsten Genüßlichkeit einem Turm gebratener Brätlinge. Da sein Alltagsleben sehr einfach war, hatte er einen besonderen Geschmack für plötzliche und ausgefallene Genüsse; er war ein enthaltsamer Epikureer. Er hob den Blick nicht von seinem Teller, um den in strenger Ordnung roter Pfeffer, Zitronen, Schwarzbrot, Butter etc. aufgereiht standen, bis ein großer Schatten über den Tisch fiel und sein Freund Flambeau sich ihm gegenüber niederließ. Flambeau war düster.
    »Ich fürchte, daß ich mich aus diesem Geschäft zurückziehen muß«, sagte er schwer. »Ich bin ganz auf Seiten der französischen Soldaten wie Dubosc, und ich bin ganz gegen die französischen Atheisten wie Hirsch; aber mir scheint, daß wir in diesem Fall einen Fehler begangen haben. Der Herzog und ich fanden es für angebracht, die Anklage zu untersuchen, und ich muß sagen, ich bin froh darüber.«
    »Dann ist das Papier also eine Fälschung?« fragte der Priester.
    »Das ist gerade das Verrückte«, erwiderte Flambeau. »Es ist absolut Hirschs Handschrift, und niemand kann darin den kleinsten Fehler finden. Aber es ist nicht von Hirsch geschrieben worden. Wenn er ein französischer Patriot ist, hat er es nicht geschrieben, weil es Deutschland Informationen übermittelt. Und wenn er ein deutscher Spion ist, hat er es nicht geschrieben, nun ja – weil es Deutschland keine Informationen gibt.«
    »Sie meinen, die Information ist falsch?« fragte Father Brown.
    »Falsch«, erwiderte der andere, »und genau da falsch, wo Dr. Hirsch richtig gewesen wäre – im Hinblick auf das Versteck seiner eigenen Geheimformel in seinem eigenen Dienstbüro. Mit Genehmigung von Hirsch und den Behörden haben der Herzog und ich die Erlaubnis erhalten, die Geheimschublade im Kriegsministerium zu untersuchen, in der Hirschs Formel verwahrt wird. Wir sind die einzigen, die sie außer dem Erfinder und dem Kriegsminister gesehen haben; aber der Minister erlaubte es, um Hirsch das Duell zu ersparen. Und jetzt können wir Dubosc wirklich nicht mehr unterstützen, falls seine Enthüllungen Schwindel sind.«
    »Sind sie das denn?«

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