Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
tödlichem Schweigen ging Flambeau zum Telephon und rief Arzt und Polizei an.
Eine leere Arzneiflasche lag auf dem Boden. Über dem Tisch lag die Leiche des Mannes im braunen Morgenmantel inmitten seiner geplatzten und aufklaffenden braunen Päckchen, aus denen Münzen strömten und rollten, keine römischen, sondern sehr moderne englische.
Der Priester hielt den bronzenen Kopf Caesars hoch. »Dies«, sagte er, »ist alles, was von der Carstairs-Sammlung übriggeblieben ist…«
Und nach einer Pause fuhr er mit mehr als gewöhnlichem Zartgefühl fort: »Es war ein grausames Testament, das sein bösartiger Vater verfaßte, und der Sohn nahm es, wie Sie sehen, einigermaßen übel auf. Er haßte das römische Geld, das er besaß, und sehnte sich immer mehr nach wirklichem Geld, das ihm verweigert war. Er verkaufte nicht nur Stück für Stück die Sammlung, sondern sank Stück für Stück auf die gemeinsten Arten des Geldmachens hinab – bis hin zur Erpressung seiner eigenen Familie in Verkleidung. Er erpreßte seinen Bruder aus Australien mit dessen kleinem vergessenen Vergehen (deshalb nahm er eine Droschke nach Wagga Wagga in Putney), er erpreßte seine Schwester mit dem Diebstahl, den er allein bemerkt haben konnte. Und deshalb hatte sie übrigens jene übernatürliche Empfindung, als er weit weg in den Sanddünen stand. Gestalt und Haltung erinnern uns, wie entfernt auch immer, viel eher an jemanden, als ein gut zurechtgemachtes Gesicht aus der Nähe.«
Wiederum herrschte Schweigen. »Nun gut«, knurrte der Detektiv, »dann war also dieser große Numismatiker und Münzsammler nichts anderes als ein elender Geizhals.«
»Ist da ein so großer Unterschied?« fragte Father Brown in dem selben sonderbaren, nachsichtigen Ton. »Was ist an einem Geizhals falsch, das nicht oftmals ebenso falsch an einem Sammler ist? Was ist da falsch, außer… Du sollst dir kein geschnitztes Bildnis machen; du sollst dich nicht vor ihm verneigen und ihm dienen, denn Ich… aber wir müssen gehen und nachsehen, wie es den armen jungen Leuten geht.«
»Ich glaube«, sagte Flambeau, »daß es ihnen trotz allem vermutlich ziemlich gut geht.«
Die purpurne Perücke
M r.Edward Nutt, der emsige Redakteur des ›Daily Reformer‹, saß an seinem Schreibtisch, öffnete Briefe und bearbeitete Korrekturfahnen zur fröhlichen Melodie einer Schreibmaschine, die eine lebhafte junge Dame bearbeitete.
Er war ein untersetzter blonder Mann in Hemdsärmeln; seine Bewegungen waren entschlossen, sein Mund war energisch und seine Sprache endgültig; aber seine runden, fast babyhaft blauen Augen hatten einen verwirrten, ja beinahe melancholischen Ausdruck, der all dem widersprach. Und dieser Ausdruck führte keineswegs in die Irre. Man darf mit Fug und Recht von ihm wie von vielen anderen Journalisten in führender Stellung sagen, daß sein vertrautestes Gefühl das der ständigen Angst war; Angst vor Verleumdungsklagen, Angst vor entgangenen Anzeigen, Angst vor Druckfehlern, Angst vor dem Rausschmiß.
Sein Leben war eine Serie von aufreibenden Kompromissen zwischen dem Besitzer der Zeitung (und seiner selbst) – einem senilen Seifensieder mit drei unausrottbaren irrigen Gedanken im Gehirn – und dem sehr fähigen Stab, den er zusammengebracht hatte, um die Zeitung zu machen; einige von ihnen waren brillante und erfahrene Männer und (was noch schlimmer war) ehrliche Enthusiasten für die politische Position des Blattes.
Ein Brief eines dieser Mitarbeiter lag vor ihm, und so rasch und entschlossen er auch war, so schien er doch zu zögern, ihn zu öffnen. Er nahm sich stattdessen eine Korrekturfahne, überflog sie mit seinen blauen Blick und einem blauen Stift, veränderte das Wort »Unzucht« in »Ungehörigkeit« und das Wort »Jude« in »Fremder«, läutete eine Glocke und schickte die Fahne in fliegender Eile hoch.
Dann riß er mit nachdenklicherem Blick den Brief seines ausgezeichneten Mitarbeiters auf. Der Brief trug einen Poststempel aus Devonshire und lautete wie folgt:
»LIEBER NUTT,
da ich sehe, daß Sie gleichzeitig Gespenster und Gangster behandeln, wie wäre es mit einem Artikel über diese undurchsichtige Geschichte mit den Eyres von Exmoor; oder, wie es hier die alten Weiber nennen, das Teufelsohr von Eyre? Chef der Familie, wissen Sie, ist der Herzog von Exmoor; er ist einer der wenigen noch übriggebliebenen wirklich sturen alten Tory-Aristokraten, ein richtiger alter verknöcherter Tyrann, dem Ärger zu machen ganz
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