Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
auf unserer Linie läge. Und ich glaube, daß ich einer Geschichte auf der Spur bin, die Ärger machen wird.
Natürlich glaube ich nicht an die alte Legende über James I.; und was Sie angeht, so glauben Sie ja an gar nichts, nicht einmal an den Journalismus. Die Legende, Sie werden sich wahrscheinlich erinnern, behandelt das finsterste Geschäft in Englands Geschichte – die Vergiftung von Overbury durch jene Höllenkatze Frances Howard und den höchst geheimnisvollen Terror, der den König zwang, den Mördern zu vergeben. Da ist eine ganze Menge angeblicher Hexerei hineingemischt; und man erzählt sich, daß ein Diener, der am Schlüsselloch lauschte, die ganze Wahrheit aus einem Gespräch zwischen dem König und Carr erfuhr; und daß das nämliche Ohr, mit dem er hörte, wie durch Zauber größer und größer wurde, so furchtbar war das Geheimnis. Und obwohl man ihn mit Ländereien und Gold überhäufen und zum Ahnherrn von Herzögen machen mußte, tritt das durch Hexerei verformte Ohr in der Familie immer wieder auf. Na schön, Sie glauben nicht an schwarze Magie, und täten Sie es, würden Sie es doch nicht drucken. Geschähe in Ihrem Büro ein Wunder, müßten Sie es vertuschen, wo heute doch so viele Bischöfe Agnostiker sind. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, daß es tatsächlich etwas Sonderbares um Exmoor und seine Familie gibt; etwas ganz Natürliches, nehme ich an, aber eben völlig Unnormales. Und ich glaube, daß das Ohr da irgendeine Rolle spielt; entweder als Symbol oder als Irreführung oder als Krankheit oder als sonstwas. Eine andere Tradition berichtet, daß die Kavaliere unmittelbar nach James I. begannen, ihre Haare lang zu tragen, und zwar nur, um das Ohr des ersten Lord Exmoor zu kaschieren. Auch das ist ohne Zweifel reine Erfindung.
Warum ich Sie darauf hinweise: Mir scheint, wir machen einen Fehler, wenn wir die Aristokratie nur wegen ihres Champagners und ihrer Diamanten attackieren. Die meisten Menschen bewundern den Adel eher, weil es ihm so gut geht, aber ich glaube, daß wir zuviel aufgeben, wenn wir zugeben, daß die Aristokratie wenigstens die Aristokraten glücklich gemacht hat. Ich schlage eine Serie darüber vor, wie armselig, wie unmenschlich, wie geradezu diabolisch der Geruch und die Atmosphäre einiger dieser großen Häuser sind. Es gibt dafür viele Beispiele; aber Sie könnten mit keinem besseren beginnen als mit dem Ohr der Eyres. Bis Ende der Woche werde ich Ihnen, wie ich glaube, die Wahrheit darüber ausgegraben haben.
Stets Ihr
FRANCIS FINN.«
Mr. Nutt überlegte einen Augenblick, während er seinen linken Stiefel anstarrte; dann rief er mit starker, lauter und völlig lebloser Stimme, in der jede Silbe wie die andere klang: »Miss Barlow, nehmen Sie bitte einen Brief an Mr. Finn auf.«
»LIEBER FINN,
ich glaube, das geht; das Manuskript sollte uns mit der zweiten Post am Samstag erreichen.
Ihr
E. NUTT.«
Dieses ausgefeilte Schriftstück artikulierte er, als ob das Ganze ein Wort wäre; und Miss Barlow ratterte es runter, als ob das Ganze ein Wort wäre. Dann nahm er sich eine andere Korrekturfahne und einen blauen Stift und änderte das Wort »übernatürlich« in das Wort »wunderbar«, und den Ausdruck »niederschießen« in den Ausdruck »unterdrücken«.
Mit so glücklichen gesunden Tätigkeiten vertrieb Nutt sich die Zeit, bis ihn der nächste Samstag am gleichen Schreibtisch fand, der gleichen Sekretärin diktierend und den gleichen blauen Stift an der ersten Lieferung von Mr. Finns Enthüllungen ansetzend. Die Einleitung war ein sauberes Stück schneidender Schmähungen der üblen Geheimnisse von Fürsten, und über die Verzweiflung selbst in den höchsten irdischen Kreisen. Obwohl leidenschaftlich geschrieben, war es doch in ausgezeichnetem Englisch verfaßt; aber der Redakteur hatte es wie üblich jemand anderem gegeben, damit der es durch Untertitel auflockere, die von einer würzigeren Sorte waren, wie etwa »Gräfinnen und Gifte«, »Das Schaurige Ohr«, »Die Eyres in ihrem Eyrie«, und so fort durch hunderterlei glückliche Abwandlungen. Dann folgte die Legende vom Ohr, nach Finns erstem Brief ausführlicher ausgearbeitet, und dann das Wesentliche seiner späteren Entdeckungen, wie folgt:
»Ich weiß, daß es die Gepflogenheit der Journalisten ist, das Ende der Geschichte an den Anfang zu stellen und es Schlagzeile zu nennen. Ich weiß, daß Journalismus im wesentlichen daraus besteht, Leuten mitzuteilen ›Lord Jones
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