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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Wilton keinen Vorwurf machen, daß er einen solchen Verbrecher umgebracht hat, vor allem, wenn man an die Fehde denkt«, stimmte Wain bei; »das war wie eine Schlange zertreten.«
    »Ich bin da anderer Ansicht«, sagte Father Brown. »Ich nehme an, daß wir alle ins Blaue hinein romantischen Unsinn schwatzen, um Lynchjustiz und gesetzlose Willkür zu verteidigen; aber ich habe den Verdacht, daß wir es bedauern werden, wenn wir unsere Rechte und Freiheiten verlieren. Außerdem erscheint es mir unlogisch zu sagen, man könne etwas für Wiltons Mord sagen, ohne auch nur zu fragen, ob man nicht auch etwas für Dooms Morde sagen könnte. Ich bezweifle, daß Doom nur ein einfacher Meuchelmörder war; er könnte ein Gesetzloser gewesen sein mit einer Wahnidee wegen des Kelches, der ihn mit Drohungen gefordert hat, und der erst nach einem Kampf tötete; beide Opfer wurden ganz in der Nähe ihrer Häuser umgebracht. Mein Widerspruch gegen Wiltons Art, die Sache zu regeln, ist, daß wir jetzt niemals Dooms Seite des Falles erfahren werden.«
    »Oh, ich kann all dieses sentimentale Weißwaschen von wertlosen mörderischen Erpressern nicht mehr ertragen«, rief Wain hitzig. »Wenn Wilton den Verbrecher um die Ecke gebracht hat, hat er eine gute Tagesarbeit getan, und damit Schluß.«
    »Genau das, genau das«, sagte sein Onkel und nickte energisch.
    Father Browns Gesicht wurde noch ernster, als er sich langsam im Halbkreis der Gesichter umsah.
    »Ist das wirklich Ihrer aller Meinung?« fragte er. Und noch während er das fragte, wurde ihm klar, daß er ein Engländer und im Exil war. Es wurde ihm klar, daß er unter Fremden, wenngleich unter Freunden war. Durch diesen Ring von Fremden lief ein rastloses Feuer, das seiner eigenen Art nicht angeboren war; der grimmigere Geist der westlichen Nation, der rebellieren und lynchen und vor allem kombinieren kann. Er wußte, daß sie bereits kombiniert hatten.
    »Nun gut«, sagte Father Brown mit einem Seufzer, »ich muß also annehmen, daß Sie entschieden dieses unglückseligen Mannes Verbrechen vergeben, oder diesen Akt privater Justiz, oder wie immer Sie das nennen wollen. In diesem Fall kann es ihm nicht schaden, wenn ich Ihnen ein bißchen mehr darüber erzähle.«
    Er erhob sich plötzlich auf seine Füße; und obwohl sie in seiner Bewegung keine Bedeutung erkennen konnten, schien sie doch selbst die Luft im Raume auf irgendeine Weise zu verändern, ja zu erkälten.
    »Wilton tötete Doom auf eher merkwürdige Weise«, begann er.
    »Wie hat Wilton ihn getötet?« fragte Crake abrupt.
    »Mit einem Pfeil«, sagte Father Brown.
    Zwielicht sammelte sich in dem langen Raum, und das Tageslicht schwand bis auf einen Schimmer im großen Fenster des inneren Raumes, wo der große Millionär gestorben war. Fast automatisch wandten die Augen der Gruppe sich ihm langsam zu, noch aber war da kein Ton. Dann kam die Stimme von Crake krächzend und hoch und senil in einer Art krähenden Plapperns.
    »Was meinen Sie? Was meinen Sie? Brander Merton von einem Pfeil getötet. Dieser Verbrecher von einem Pfeil getötet – «
    »Von demselben Pfeil«, sagte der Priester, »und im selben Augenblick.«
    Und wieder war da eine Art von ersticktem, aber doch schwellendem und berstendem Schweigen, und der junge Wain begann: »Sie wollen sagen – «
    »Ich will sagen, daß Ihr Freund Merton Daniel Doom war«, sagte Father Brown fest; »und zwar der einzige Daniel Doom, den Sie je finden werden. Ihr Freund Merton war immer verrückt nach dem Koptenkelch, den er jeden Tag wie einen Götzen zu verehren pflegte; und in seiner wilden Jugend hat er wirklich zwei Männer getötet, um ihn in seinen Besitz zu bekommen, obwohl ich immer noch glaube, daß die beiden Toten in gewisser Weise eher Opfer von Unfällen während des Raubes waren. Wie dem auch sei, jetzt hatte er ihn; und dieser Mann Drage kannte die Geschichte und erpreßte ihn. Wilton aber war aus einem ganz anderen Grunde hinter ihm her; ich vermute, daß er die Wahrheit erst entdeckte, nachdem er in sein Haus gekommen war. Wie auch immer, es war in diesem Haus und in jenem Zimmer, wo diese Jagd endete und er den Mörder seines Vaters tötete.«
    Lange Zeit sagte niemand etwas. Dann konnte man hören, wie der alte Crake mit den Fingern auf dem Tisch trommelte und vor sich hin murmelte: »Brander muß verrückt gewesen sein. Er muß verrückt gewesen sein.«
    »Aber guter Gott!« brach es aus Peter Wain hervor, »was sollen wir denn jetzt tun? Was sollen

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