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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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für gekrönte Häupter anwesend«, sagte Vandam, der Erdölmagnat, mit saurem Sarkasmus. »Mr. Warren Wynd ist sehr eigen. Ich bin hergekommen, um ihm die Kleinigkeit von 20000 Dollar unter bestimmten Bedingungen zu übergeben, und er hat mir gesagt, ich solle wieder vorbeikommen, als wäre ich ein Botenjunge.«
    »Es ist schön, ein Junge zu sein«, sagte der Fremde, »und noch schöner, eine Botschaft zu haben; und ich habe eine Botschaft, die er einfach anzuhören hat. Es ist eine Botschaft aus dem großen guten Land im Westen, wo der wirkliche Amerikaner entsteht, während ihr alle schnarcht. Sagen Sie ihm, daß Art Alboin aus der Stadt Oklahoma gekommen ist, um ihn zu bekehren.«
    »Ich sagte Ihnen doch, daß niemand ihn sprechen kann«, sagte der rothaarige Sekretär scharf. »Er hat Anweisungen gegeben, daß er für eine halbe Stunde nicht gestört werden darf.«
    »Ihr Leutchen hier im Osten wollt euch alle nicht stören lassen«, sagte der lärmige Mr. Alboin, »aber ich schätze, daß da im Westen ein großer Lärm entsteht, der euch schon aufstören wird. Er rechnet herum, wieviel Geld er der einen oder anderen verstaubten alten Religion geben soll; ich aber sage Ihnen, daß jede Verteilung, die die neue Großer-Geist-Bewegung draußen in Texas und Oklahoma außer acht läßt, die Religion der Zukunft außer acht läßt.«
    »Oha; ich hab mir all diese Religionen der Zukunft genau angesehen«, sagte der Millionär verächtlich. »Ich bin sie mit dem Läusekamm durchgegangen, und sie sind alle so räudig wie gelbe Hunde. Da war die Frau, die sich Sophia nannte: die hätte sich besser Saphira genannt, schätze ich. Nichts als plumper Schwindel. Überall Fäden an Tischen und Tamburinen. Dann war da der Haufen vom Unsichtbaren Leben; sie behaupteten, sie könnten nach Willen verschwinden, und verschwinden taten sie, und 100000 meiner Dollars verschwanden mit ihnen. Ich kannte Jupiter Jesus drüben in Denver; war wochenlang mit ihm zusammen; und er war doch nur ein gewöhnlicher Gauner. Ebenso der Patagonische Prophet; Sie können drauf wetten, daß er sich nach Patagonien davongemacht hat. Nein, mit all dem bin ich durch; von jetzt an glaube ich nur noch, was ich sehe. Ich nehme an, das nennt man einen Atheisten.«
    »Ich schätze, Sie haben mich falsch verstanden«, sagte der Mann aus Oklahoma eifrig. »Ich schätze, ich bin ebensosehr Atheist wie Sie. In unserer Bewegung gibt es keinen übernatürlichen oder abergläubischen Quatsch; nur reine Wissenschaft. Die einzige wirkliche Wissenschaft heißt ganz einfach Gesundheit, und die einzige wirkliche Gesundheit heißt ganz einfach Atmen. Füllen Sie sich Ihre Lungen mit der freien Luft der Prärie, und Sie können alle Ihre alten Städte des Ostens ins Meer pusten. Sie können Ihre größten Männer wegpusten wie Pusteblumen. Das tun wir in der neuen Bewegung draußen zu Hause: Wir atmen. Wir beten nicht; wir atmen.«
    »Ja, das nehme ich an«, sagte der Sekretär gelangweilt. Er hatte ein scharfes intelligentes Gesicht, das die Langeweile kaum verbergen konnte; aber er hatte den beiden Monologen mit jener bewunderungswürdigen Geduld und Höflichkeit (so sehr im Widerspruch zu den Legenden über Ungeduld und Unverfrorenheit) gelauscht, mit denen man in Amerika solchen Monologen lauscht.
    »Nichts Übernatürliches«, fuhr Alboin fort, »nur die große natürliche Wahrheit hinter all den übernatürlichen Phantasien. Wofür brauchten die Juden einen Gott, außer daß er dem Menschen den Odem des Lebens in die Nüstern blase? Wir betreiben draußen in Oklahoma das Blasen in unsere Nüstern selbst. Was bedeutet denn das Wort ›spiritus‹ genau? Es ist griechisch und bedeutet Atemübung. Leben, Fortschritt, Prophetien; alles ist Atmen.«
    »Manche würden auch sagen, es sei Wind«, sagte Vandam, »aber ich bin froh, daß Sie von dem Göttlichkeitshumbug losgekommen sind.«
    Das scharfe Gesicht des Sekretärs, ziemlich blaß unter seinem roten Haar, zeigte das Flackern eines eigenartigen Gefühls, das auf eine heimliche Bitternis hinwies.
    »Ich bin nicht froh«, sagte er, »ich bin nur sicher. Sie scheinen gerne Atheisten zu sein; da können Sie glauben, was Sie glauben wollen. Aber ich wünschte bei Gott, es gäbe einen Gott; doch da ist keiner. Mein Pech.«
    Und in diesem Augenblick wurden sie sich fast mit einer Gänsehaut bewußt, daß die Gruppe, die da vor Wynds Tür stand, ohne ein Geräusch oder eine Bewegung von drei auf vier Menschen angewachsen

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