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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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auf mich zu nehmen; aber so werden eben Vermögen gewonnen, von einem Mann, der verrückt genug war, ein bißchen Weitblick zu haben.‹ Kurz, das ist die Eitelkeit des Raters. Das ist der Größenwahn des Spielers. Je unwahrscheinlicher der Zufall, je spontaner der Entschluß, desto sicherer glaubt er, die Chance zu erwischen. Der Zufall, die tatsächliche Alltäglichkeit des weißen Flecks und des Lochs in der Hecke berauschte ihn wie eine Vision der Schätze dieser Erde. Keiner, der klug genug war, ein solches Zusammentreffen von Zufällen zu erkennen, konnte feige genug sein, das nicht zu nutzen! So spricht der Teufel zum Spieler. Aber selbst der Teufel hätte jenen unglückseligen Mann schwerlich dazu verleiten können, auf eine langweilige überlegte Art hinzugehen und einen alten Erbonkel umzubringen. Das wäre ihm zu bürgerlich erschienen.«
    Er hielt für einen Augenblick inne, und fuhr dann mit einer gewissen ruhigen Betonung fort.
    »Und nun versuchen Sie, sich der Szene zu erinnern, wie Sie selbst sie gesehen haben. Als er da stand, trunken von dieser teuflischen Gelegenheit, blickte er auf und sah jenen sonderbaren Umriß, der ein Abbild seiner eigenen schwanken Seele hätte sein können; den einen großen Felsbrocken, wie der da gefährlich auf dem anderen lagerte, wie eine Pyramide auf ihrer eigenen Spitze, und er erinnerte sich, daß man ihn den Schicksalsfelsen nannte. Können Sie sich vorstellen, wie solch ein Mann in solch einem Augenblick solch ein Zeichen liest? Ich bin sicher, daß es ihn zur Tat und sogar zur Wachsamkeit aufpeitschte. Er, der ein Turm sein würde, brauchte nicht zu fürchten, ein stürzender Turm zu sein. Und er handelte; seine nächste Schwierigkeit war, seine Spuren zu verbergen. Wenn man ihn während der folgenden Suche mit einem Stockdegen und gar einem blutbefleckten anträfe, würde das fatal sein. Wenn er ihn irgendwo liegen ließe, würde man ihn finden und die Spur verfolgen. Und selbst wenn er ihn ins Meer schleuderte, würde man die Tat bemerken und für bemerkenswert halten – außer es gelänge ihm, sich irgendeine natürlichere Weise auszudenken, die Tat zu verdecken. Wie Sie wissen, dachte er sich eine aus, und eine ungewöhnlich gute dazu. Da er der einzige von Ihnen mit einer Uhr war, erzählte er Ihnen, es sei noch nicht an der Zeit zurückzukehren, schlenderte noch ein Stückchen weiter und begann mit dem Spiel, dem Apportierer Stöckchen hineinzuwerfen. Aber wie verzweifelt muß sein Blick über jenes verlassene Meeresufer hingeflogen sein, bis er an dem Hund hängenblieb!«
    Fiennes nickte und blickte gedankenvoll ins Weite. Sein Geist schien sich zu einem weniger faßlichen Teil der Geschichte zurückzubewegen.
    »Sonderbar«, sagte er, »daß der Hund nach allem nun doch eine Rolle in der Geschichte spielt.«
    »Der Hund hätte Ihnen fast die ganze Geschichte erzählen können, wenn er nur hätte reden können«, sagte der Priester. »Ich beschwere mich lediglich darüber, daß Sie sich seine Geschichte ausdachten, weil er sie nicht erzählen konnte, und ihn dabei mit den Zeugen von Menschen und Engeln sprechen ließen. Das ist ein Teil von etwas, das mir in der modernen Welt mehr und mehr auffällt, wie es in allen Arten von Zeitungsgerüchten und gesellschaftlichen Schlagworten auftaucht; etwas Willkürliches ohne Entscheidungsvollmacht. Die Leute schlucken die Ansprüche von diesem oder jenem oder noch anderem ungeprüft. Das schwemmt euren ganzen alten Rationalismus und Skeptizismus fort und wallt heran wie Meereswogen; und sein Name ist Aberglaube.«
    Er stand plötzlich auf, sein Gesicht von einem gewissen Runzeln schwer, und er sprach weiter fast so, als ob er allein wäre. »Das ist die erste Folge davon, wenn man nicht mehr an Gott glaubt, daß man seinen gesunden Verstand verliert und die Dinge nicht mehr sehen kann, wie sie sind. Alles, wovon jemand spricht und behauptet, da stecke doch eine ganze Menge drin, dehnt sich aus ins Unendliche wie die Aussicht in einem Alptraum. Und ein Hund ist ein Vorzeichen und eine Katze ist ein Geheimnis und ein Schwein ist ein Glücksbringer und ein Käfer ist ein Skarabäus, der die ganze Menagerie des Polytheismus Ägyptens und des alten Indiens heraufbeschwört; der Hund Anubis und die große grünäugige Pascht und alle die heiligen brüllenden Bullen von Bashan; zurück zu den Tiergöttern des Anbeginns, Flucht in Elefanten und Schlangen und Krokodile; und das alles, weil ihr Angst vor den vier Worten

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