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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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ausgespreitet waren. Beide Hände waren verborgen, obwohl Father Brown glaubte, er könne die Position der einen von ihnen ausmachen, und er sah nahebei, unter dem Saum des Umhangs, den Schimmer einer metallischen Waffe. Die Hauptwirkung jedoch war eigenartigerweise die der einfachen Übertriebenheit der Heraldik; wie ein schwarzer Adler, ausgebreitet auf weißem Grunde. Als er aber um die Gestalt herumging und unter den Hut sah, erhaschte der Priester einen Blick in das Gesicht, das in der Tat so war, wie der Gastgeber es genannt hatte, fein und intellektuell; auch skeptisch und streng: das Gesicht von John Strake.
    »Da soll mich doch«, murmelte Father Brown. »Das sieht wirklich so aus, als ob ein großer Vampir herabgestoßen sei wie ein Vogel.«
    »Wie sonst hätte er gekommen sein können?« klang eine Stimme von der Tür her, und als Father Brown aufblickte, sah er erneut Aylmer da stehen.
    »Hätte er nicht zu Fuß gehen können?« erwiderte Father Brown ausweichend.
    Aylmer streckte den Arm aus und überstrich die weiße Landschaft mit einer Geste.
    »Betrachten Sie den Schnee«, sagte er mit einer tiefen Stimme, die auf eine Art rollend vibrierte. »Ist der Schnee nicht unberührt – rein wie die Weiße Magie, wie Sie selbst ihn genannt haben? Gibt es auf ihm meilenweit auch nur einen Flecken, abgesehen von jenem widerlichen schwarzen Klecks, der dorthin gefallen ist? Es gibt keine Fußspuren außer den wenigen von Ihnen und mir; und keine, die sich von irgendwo dem Haus näherten.«
    Dann blickte er den kleinen Priester einen Augenblick lang mit einem konzentrierten und eigenartigen Ausdruck an und sagte:
    »Ich will Ihnen noch etwas sagen. Jener Umhang, mit dem er fliegt, ist zu lang, um darin zu gehen. Er war kein sehr großer Mann, und er würde hinter ihm herschleifen wie die Schleppe eines Königs. Breiten Sie ihn über seinen Körper aus, wenn Sie wollen, und sehen Sie selbst.«
    »Was hat sich zwischen Ihnen ereignet?« fragte Father Brown abrupt.
    »Das ging zu schnell, um es zu beschreiben«, antwortete Aylmer. »Ich hatte einen Blick durch die Tür hinaus geworfen und wandte mich wieder um, als plötzlich eine Art Windrauschen mich umgab, als werde ich von einem frei in der Luft drehenden Rad herumgeschwungen. Irgendwie wirbelte ich herum und feuerte blindlings; und danach sah ich nur, was Sie jetzt auch sehen. Aber ich bin zutiefst überzeugt, daß Sie das nicht sehen würden, wenn ich nicht ein silbernes Geschoß in meiner Pistole gehabt hätte. Dann läge dort ein anderer Körper im Schnee.«
    »Sollen wir übrigens«, bemerkte Father Brown, »das dort im Schnee liegen lassen? Oder würden Sie es lieber in Ihr Zimmer bringen – ich nehme an, das ist Ihr Schlafzimmer dort im Korridor?«
    »Nein, nein«, erwiderte Aylmer hastig, »wir müssen es dort liegen lassen, bis die Polizei es gesehen hat. Außerdem habe ich von diesen Dingen jetzt mehr gehabt, als ich im Augenblick ertragen kann. Was auch geschehen mag, ich muß jetzt einen Schluck trinken. Danach mögen sie mich hängen, wenn sie wollen.«
    Im mittleren Zimmer taumelte Aylmer zwischen der Palmenpflanze und dem Fischgefäß in einen Sessel. Zwar hätte er fast das Gefäß umgestoßen, als er ins Zimmer torkelte, aber es war ihm gelungen, die Brandy-Karaffe zu finden, nachdem er mit der Hand fast blindlings in verschiedene Fächer und Winkel gefahren war. Er wirkte zu keiner Zeit wie ein methodischer Mensch, aber in diesem Augenblick erreichte seine Zerstreutheit ihren Höhepunkt. Er trank einen tiefen Schluck und begann dann, fieberhaft zu reden, so als müsse er die Stille füllen.
    »Sie haben immer noch Zweifel«, sagte er, »obwohl Sie das Ding mit Ihren eigenen Augen gesehen haben. Glauben Sie mir, da war mehr in dem Streit zwischen dem Geist von Strake und dem Geist des Hauses Aylmer. Außerdem ist es nicht Ihre Sache, ein Ungläubiger zu sein. Ihre Sache ist es, für all die Dinge einzutreten, die diese dummen Leute Aberglauben nennen. Oder glauben Sie etwa nicht, daß da eine ganze Menge in den Altweibergeschichten von Amuletten und Zaubermitteln und so weiter steckt, silberne Kugeln eingeschlossen? Was halten Sie als Katholik davon?«
    »Ich halte mich für einen Agnostiker«, erwiderte Father Brown lächelnd.
    »Unfug«, sagte Aylmer ungeduldig. »Es ist Ihre Aufgabe, an die Dinge zu glauben.«
    »Nun ja, ich glaube natürlich an einige Dinge«, räumte Father Brown ein, »und deshalb glaube ich natürlich an andere Dinge

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