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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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wundervollen gotischen Bögen herumzumachen, die mit zum Besten gehören, was Ihre eigene Religion auf Erden je hervorgebracht hat. Ich hätte mir gedacht, daß Sie ein Gespür für diese Art Kunst haben; aber ich kann nicht verstehen, warum Sie so ungewöhnlich scharf aufs Photographieren sind.«
    »Ich bin ungewöhnlich scharf aufs Tageslicht«, antwortete Father Brown, »besonders in dieser dumpfigen Angelegenheit; und die Photographie besitzt die Tugend, aufs Tageslicht angewiesen zu sein. Und wenn Sie nicht wissen, daß ich alle gotischen Spitzbögen auf Erden zu Staub zermahlen würde, um die Gesundheit einer einzigen menschlichen Seele zu retten, dann wissen Sie über meine Religion nicht so viel, wie Sie zu wissen glauben.«
    Der junge Australier war wie ein verjüngter Mann auf die Füße gesprungen. »Beim Himmel! Das nenne ich reden«, rief er; »obwohl ich niemals gedacht hätte, das ausgerechnet von dieser Seite zu hören. Ich sage Ihnen, Hochwürden, ich werde etwas tun, um zu zeigen, daß ich meinen Mut noch nicht verloren habe.«
    Der alte Hausverwalter sah ihn mit bebender Wachsamkeit an, als spüre er im Trotz des jungen Mannes den Todgeweihten. »Oh«, rief er, »und was wollen Sie jetzt tun?«
    »Ich werde das Porträt photographieren«, erwiderte Darnaway.
    Und doch schien kaum eine Woche später der Sturm der Katastrophe aus dem Himmel zu brausen und jene Sonne der Vernunft zu verdunkeln, die der Priester vergeblich beschworen hatte, und das Haus der Darnaways erneut in die Düsternis ihres Verhängnisses zu stürzen. Es war leicht genug gewesen, das neue Studio einzurichten; und von innen betrachtet, sah es aus wie jedes andere Studio dieser Art, leer bis auf die Fülle des weißen Lichtes. Wer aus den düsteren Räumen unten kam, hatte mehr als üblich das Gefühl, in eine mehr als moderne Helligkeit zu treten, so leer wie die Zukunft. Auf Anregung von Wood, der das Schloß gut kannte und seinen ersten ästhetischen Widerwillen überwunden hatte, war ein kleiner Raum, der in der oberen Ruine intakt geblieben war, leicht in eine Dunkelkammer umgewandelt worden, in die Darnaway aus dem weißen Tageslicht ging, um dort beim karmesinen Schein einer roten Lampe herumzuwirtschaften. Wood sagte lachend, daß ihn die rote Lampe mit dem Vandalismus versöhnt habe, denn die blutrote Dunkelheit sei so romantisch wie die Höhle eines Alchimisten.
    Darnaway war an jenem Tag, da er das rätselhafte Porträt photographieren wollte, bei Tagesanbruch aufgestanden und hatte es aus der Bibliothek über die einzige Wendeltreppe hinauftragen lassen, welche die beiden Stockwerke miteinander verband. Dort hatte er es im vollen weißen Tageslicht auf eine Art Staffelei gestellt und seinen photographischen Dreifuß davor aufgebaut. Er sagte, er sei begierig, eine Reproduktion an einen berühmten Antiquar zu schicken, der bereits über die Antiquitäten des Hauses geschrieben hatte; aber die anderen wußten, daß diese Ausrede sehr viel Tieferes überdeckte. Es war, wenn schon nicht ein geistiger Zweikampf zwischen Darnaway und dem dämonischen Bild, so doch zumindest ein Zweikampf zwischen Darnaway und seinen eigenen Zweifeln. Er wollte das Tageslicht der Photographie von Angesicht zu Angesicht dem dunklen Meisterwerk der Malerei gegenüberstellen und sehen, ob nicht das Sonnenlicht der neuen Kunst die Schatten der alten vertreiben könne.
    Vielleicht wollte er deshalb alles allein machen, auch wenn einige Einzelheiten länger zu dauern und mehr als die üblichen Verzögerungen mit sich zu bringen schienen. Auf jeden Fall entmutigte er die wenigen, die sein Studio am Tag dieses Experiments aufsuchten und ihn beim Fokussieren und Herumhantieren in einer sehr einsamen und unzugänglichen Stimmung vorfanden. Der Verwalter hatte ihm eine Mahlzeit hingestellt, da er sich weigerte, herunterzukommen; der alte Herr kam auch einige Stunden später zurück und stellte fest, daß über das Essen mehr oder minder normal verfügt worden war; aber als er es brachte, erfuhr er nicht mehr Dank als ein Grunzen. Payne stieg einmal hinauf, um zu sehen, wie er vorankomme, aber da er den Photographen jeder Unterhaltung abgeneigt vorfand, kam er wieder herunter. Father Brown war den gleichen Weg in unauffälliger Weise gewandert, um Darnaway einen Brief jenes Experten zu bringen, dem die Photographie geschickt werden sollte. Doch ließ er den Brief auf einem Tablett liegen, behielt all seine Gedanken über jenes große Glashaus voller

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