Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
»Ryan?«
»Ja, ich fand ihn eigentlich ganz nett.«
Randall schüttelte leicht den Kopf und rieb sich mit einer Hand den Nacken. »Na ja, irgendwie schon. Wir haben zusammen Billard gespielt und …«
Jessica wartete das Ende der Geschichte nicht ab. Sie stützte sich mit ihren freien Beinen ab, um sich aufzurichten und Randall abzuwerfen. Schreiend fiel er nach hinten, aber als Jessica sich umdrehte, um die paar Schritte zur Tür zu laufen, schnellte sein Fuß vor. Sie stolperte darüber, fiel gegen die Tür und fuchtelte herum, um die Klinke zu finden. Sie musste einen Schritt zurückmachen, weil die Tür nach innen aufging, aber Randall stürzte sich erneut auf sie und drückte sie mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür. Ihre Arme waren frei, sodass sie noch im Taumeln in der Lage war, ihm mit voller Wucht gegen den Kehlkopf zu schlagen. Benommen stolperte er zurück.
Jessica hatte eine Hand noch am Türgriff, aber sie ließ los und rammte ihm den Handballen mit aller Kraft von unten gegen die Nase. Genau wie Harry es ihr beigebracht hatte. Genau wie sie es Wayne Lapham angedroht hatte. Blut spritzte über Randalls Gesicht und ihren Arm. Er blinzelte und schloss kurz die Augen. Sie wandte sich wieder zur Tür, um sie aufzumachen. Sie dachte, sie hätte es geschafft, da packte er sie bei den Haaren. Er rammte ihr Gesicht hart gegen den Türrahmen. Und dann noch einmal. Sie merkte, wie sie das Bewusstsein verlor. Sie versuchte, all ihre Kräfte zu sammeln, und spürte, wie er ihren Kopf zurückriss.
Jessica konnte vor lauter Schmerzen die Augen nicht öffnen, aber hinter sich hörte sie Randall, der außer sich vor Wut auf sie einschrie. Sie verstand kein Wort. Wahrscheinlich war seine Nase gebrochen und sein Kehlkopf schmerzte von den Schlägen. Er keuchte angestrengt, während er sie von der Wohnungstür weg und in ihr Zimmer aufs Bett zerrte. Sie nahm alles wahr, war aber zu geschwächt, um sich zu wehren. Sie fühlte sich ganz benommen. Ihre Arme und Beine wollten nicht gehorchen. Sie öffnete die Augen. Er saß wieder auf ihr und Tränen rannen über seine blutverschmierten Wangen.
Ihr war, als sagte er: »Es tut mir leid.« Dann fühlte sie seine Hände an ihrem Hals. Er drückte zu. Sie spürte den Druck und rang nach Atem, aber sie konnte nicht einmal mehr mit den Beinen strampeln.
Und dann hörte sie, wie die Wohnungstür aufging.
A CHTUNDDREISSIG
Jessica fühlte sich völlig benebelt. Als würde sie gerade aus einem lebhaften Traum erwachen, war sie nicht sicher, was Wirklichkeit war und was nicht.
»Rands? Jess?«
Caroline! Jessica war vollkommen erschöpft, aber der Druck auf ihre Kehle ließ unvermittelt nach. Alles war grau und verschwommen. Sie konnte jedoch spüren, wie er vom Bett aufstand, und sie versuchte, sich aufzusetzen. Aber ihre Bewegungen liefen wie in Zeitlupe ab. Sie hörte Stimmen aus dem Flur. Schreien. Ihr war, als hätte sie Caroline sagen hören: »Was ist hier los?«
Schließlich richtete Jessica sich auf und es gelang ihr aufzustehen. Sie hörte noch immer die Stimmen. Sie taumelte zur Tür und in den Flur. Es war immer noch alles grau und verschwommen, aber sie konnte Caroline schreien hören: »Jess!«
Jessica schaute Richtung Wohnzimmer. Ihr Sehvermögen kam langsam zurück. Aber ihre Kehle brannte wie Feuer und jeder Atemzug tat weh. Randall stand hinter Caroline und drückte sie mit dem linken Arm über ihrer Brust an sich. Sein Gesicht sah total zerschunden aus. Das Rot der Blutschlieren in seinem Gesicht durchdrang den Grauschleier vor ihren Augen, der sich langsam auflöste. Jessica merkte, dass auch ihr Gesicht blutverschmiert war. Wahrscheinlich sah sie nicht besser aus als Randall.
Caroline wirkte völlig entsetzt. Sie hatte ihre Tasche fallen lassen und stand mit weit aufgerissenen Augen da. Der Inhalt ihrer Tasche war am Boden verstreut.
»Was ist hier los?« Diesmal konnte Jessica sie deutlich verstehen, obwohl ihre Stimme fast versagte. Dann sah Jessica, warum.
Randall hatte nicht einfach den linken Arm um seine Freundin gelegt, in der rechten Hand hielt er die Schere ganz dicht an ihren Hals.
»Ganz ruhig«, sagte Jessica. Sie konnte kaum sprechen oder einen klaren Gedanken fassen. Sie wandte sich ebenso an Randall wie an Caroline: »Ganz ruhig bleiben.«
Wieder strömten Tränen über Randalls Gesicht, vermischten sich mit dem Blut und erzeugten senkrechte Streifen auf seiner Haut. »Warum konntest du es nicht dabei belassen?«, fragte er
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