Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
nicht verlassen und ihn auch nicht gehen lassen. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, dass er ihr endgültig entwischte.
Jessica bemühte sich, ruhig zu sprechen: »Hi. Ja, sie hat mir heute Morgen eine SMS geschickt. Ich war gerade unterwegs.« Sie hatte das Gefühl, ihre Stimme würde versagen, aber Randall schien nichts zu merken.
»Kannst du mir helfen?«, fragte er. »Ich weiß gar nicht so genau, was ich mit den ganzen Kleidern und so machen soll. Ich habe ein paar Kartons mitgebracht, aber keine Ahnung, wie ich alles sortieren soll.« Er zeigte auf die Kartons vor sich auf dem Boden und lächelte.
Jessica quälte sich ebenfalls ein Lächeln ab. Wenn sie sich nur ganz kurz von ihm loseisen könnte, könnte sie schnell die Wache anrufen.
»Na klar. Ich hole mir nur eben was zu trinken. Willst du auch was?«
»Ja, gern, nur ein Glas Wasser.«
Jessica ging rückwärts aus dem Zimmer. Ihr Herz raste. Sie ging zur Küche, holte zwei Gläser aus dem Schrank und drehte den Wasserhahn auf. Dann holte sie ihr Handy aus der Tasche.
Das gesprungene Display funktionierte immer noch nicht richtig. Sie drückte drauf, um ihr Adressbuch aufzurufen, aber es kam nichts. Mit einer Hand füllte sie die beiden Gläser, während sie mit den Fingern der anderen noch heftiger auf ihr Handy einklopfte. Als die Gläser voll waren, ließ sie das Wasser weiterlaufen. Endlich reagierte ihr Handy. Sie brauchte beide Daumen, um durch ihr Adressbuch zu scrollen. Ihre Hände zitterten und ihr war speiübel,aber sie versuchte, sich mit aller Kraft zu konzentrieren. Sie fand die Nummer der Wache und wählte. Dann hielt sie das Handy ans Ohr und drehte sich zur Tür um.
Dort stand Randall und sah sie an, eine Schere in der Hand.
S IEBENUNDDREISSIG
»Alles in Ordnung?«, fragte Randall. »Du brauchst aber lang.«
Der diensthabende Sergeant ging dran und sagte hallo. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie loszuschreien: »Jessica Daniel hier. Nigel Collins ist in meiner Wohnung. Schicken Sie Verstärkung!« Wäre sie in der Lage, Randall so lang aufzuhalten, bis Hilfe kam? Würde der Sergeant überhaupt so schnell verstehen, worum’s ging? War es das Risiko wert?
Sie legte auf und steckte das Handy wieder ein. »Ja, ich habe versucht, Caroline anzurufen. Ich wollte wissen, wann sie Schluss hat, aber sie geht nicht dran.« Randall schien sie kritisch zu beäugen, aber vielleicht bildete sie es sich ja auch nur ein. Wusste er etwa Bescheid? Sie hatte doch nichts gesagt, was sie hätte verraten können.
Er wedelte mit der Schere. Zwei lange Klingen mit scharfen Spitzen. »Habt ihr Klebeband? Ein Karton ist gerade kaputt gegangen.«
»Ja, Sekunde. Hier ist dein Wasser.« Jessica reichte ihm ein Glas, verzweifelt bemüht, ihre Hand ruhig zu halten, und drehte den Hahn zu. Wortlos nahm er das Glas und trank. Sie nahm ein paar Schluck von ihrem Wasser und schüttete den Rest weg. Ihr war immer noch übel.
Randall leerte sein Glas und reichte es ihr. »Danke.«
»Bitte. Das Klebeband ist in der Schublade da hinter dir.«
Jessica deutete auf das Schränkchen neben der Tür. Randall drehte sich um, öffnete die Schublade und wühlte darin herum.Auf dem Schränkchen stand ein Messerblock. Falls er sie durchschaut hatte, saß sie jetzt ganz schön in der Klemme.
Sie beobachtete ihn, aber er machte keine hastigen Bewegungen, sondern holte nur das Klebeband aus der Schublade. »Ich hab’s«, sagte er. »Kommst du?«
»Ja.« Sie hoffte, er würde sich umdrehen und vorgehen. Dann könnte sie wenigstens rasch ein Messer einstecken.
Aber er blieb stehen und hielt ihr die Tür auf. »Nach dir.«
Sie bewegte sich ganz langsam und warf aus dem Augenwinkel einen Blick auf den Messerblock. Sie wollte ihn nicht unbedingt verletzen, aber ein Messer würde ihr im Notfall einen Vorteil verschaffen. Sie versuchte, die verschiedenen Entfernungen abzuschätzen. Sie konnte unmöglich unbemerkt nach einem Messer greifen, aber falls sie sich trotzdem eins schnappte, könnte sie ihn in Schach halten? Und wenn ja, was dann?
Jessica ließ die Messer stecken und ging an Randall vorbei durch den Flur. Sie spürte ihn hinter sich, versuchte aber, Ruhe zu bewahren. Carolines Zimmertür stand offen. Sie ging hinein und wartete neben dem Bett darauf, dass er an ihr vorbei zum Schrank ging, was er auch tat. Er hievte einen Karton aufs Bett und verklebte die gerissene Unterseite.
Jessica sah ihm aufmerksam zu. Er legte die Schere aufs Bett, hob sie dann
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