Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
ganz anders arbeitet. Aber ich glaube, er wollte nur bei irgendeinem Mädchen Eindruck schinden.«
»Und hat es geklappt?«
»Was glaubst du?«
»Na, da bin ich aber froh, dass der Typ kein Spinner ist.«
Noch war Garry Ashfords Chef gut auf ihn zu sprechen, aber wie lang noch? Die Devise der Medien hieß seit jeher »Gewalt stärkt die Auflage«, und die jüngsten Verkaufszahlen des Herald schienen dies zu bestätigen. Die Ausgabe mit Garrys erstem Exklusivberichtverkaufte sich doppelt so gut wie üblich. Die harsche Kritik an der Polizei hatte weiterhin für hohe Auflagen gesorgt, und mit Garrys zweiter großer Story über den »Houdini-Würger« – den Namen hatte sein Redakteur erfunden – konnten sie die Verkaufszahlen sogar aufs Dreifache steigern.
Aber die Geschichte hatte auch weniger erfreuliche Folgen für den jungen Reporter. Seine Kollegen, die sich anscheinend wunderten, wie zum Teufel dieser ungepflegte Bursche an so gute Storys kam, gingen ihm aus dem Weg. Sein Chefredakteur hingegen sprach von Preisen, Beförderung, Gehaltserhöhung und so weiter. Bisher war Garry allerdings noch nicht befördert worden und hatte auch nicht mehr Geld bekommen. Er fragte sich, wie lang sein Glück noch anhalten würde.
Es war Montag und sein Chef hatte ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er eine gute Story erwartete. Er hatte Garry auch nach seiner Quelle gefragt und ob dort noch mehr brauchbare Informationen zu holen wären. Sein Ton war sehr freundlich, aber die unterschwellige Drohung war nicht zu überhören.
Garry stand vor einem Problem. Er wollte nicht einfach irgendetwas erfinden, deshalb hatte er eine SMS an die nicht registrierte Handynummer seines Informanten geschickt, aber noch keine Antwort bekommen. Bei ihrem letzten Gespräch hatte seine Kontaktperson angekündigt, dass die Informationen in der kommenden Zeit etwas spärlich ausfallen würden.
Garrys Treffen mit DS Daniel in der vergangenen Woche war besser gelaufen als erwartet. Allein schon, dass sie ihn nicht wie bei ihren Telefongesprächen zuvor beschimpft und bedroht hatte, war ein Fortschritt. Aber da sie sich schon über seinen Kleidungsstil und seinen Namen mokiert hatte, würde sie sich bei ihrem nächsten Gespräch wahrscheinlich über sein Aussehen lustig machen.
Eigentlich hätte er am vorherigen Wochenende freigehabt, aber Freitagabend hatte sein Redakteur angerufen und gefragt, was er über Wayne Lapham wisse. Er wusste nicht mehr als andere, denn er kannte wie seine Kollegen auch nur die Pressemitteilung und die Polizeifotos. Trotzdem bekam er am Samstag den Auftrag, mehrüber den Hauptverdächtigen herauszufinden. Sein Chef glaubte anscheinend, er wüsste, was er tat.
Weit gefehlt.
Lapham war weder im Wählerverzeichnis noch im Telefonbuch zu finden, was aber nicht verwunderlich war. Garry hatte seine Quelle per SMS um Hilfe gebeten, aber keine Antwort erhalten. Deshalb musste er tun, was alle Journalisten hassten: sich auf die Lauer legen. Die Polizei hatte bei ihrer Bitte um Hinweise aus der Bevölkerung erwähnt, dass Lapham zuletzt im Prince of Wales in Moston gesehen worden war. Garry kannte sich in der Gegend nicht aus, aber die Adresse des Pubs fand er im Internet. Er nahm den Bus und musste einmal umsteigen. Er behielt die Fahrkarten, da er hoffte, wenigstens die Spesen erstattet zu bekommen, und mit der aktuellen Ausgabe des
Herald
unterm Arm – auf deren Titelseite ein Foto von Lapham prangte – betrat er den Pub in der Hoffnung, dass ihm dort jemand weiterhelfen würde.
Der Barmann – und wie Garry annahm, auch der Wirt – war ein beleibter, kahlköpfiger Mann mit Furcht einflößendem und zugleich vorwurfsvollem Blick und tiefer Stimme. Garry zeigte ihm die Zeitung mit dem Foto und begann höflich: »Hallo, könnten Sie mir vielleicht …« Aber der Barmann beendete den Satz für ihn.
» … Ihnen vielleicht was zu trinken geben? Aber sicher.«
Garry bestellte eine Cola und ließ sich einen Kassenzettel geben. Der war auch für die Spesenabteilung. Mit dieser Bestellung entlockte er dem Barmann die Information, dass Lapham am Vortag im Pub gewesen war und den ganzen Morgen »irgendwelche Presseheinis« angerufen hatten.
Für die zweite Bestellung bekam Garry die Auskunft, dass Lapham zwar ein Stammgast, aber im Moment nicht da war. Das konnte er allerdings selbst sehen.
Mithilfe der dritten Cola und einer Tüte Chips fand Garry heraus, dass Lapham ganz in der Nähe wohnte. Mit jeder
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