Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
damit zu tun hast.« Dann ging sie auf Distanz, wie Jessica sie gebeten hatte.
»So ist das andauernd«, sagte die Frau zu Jessica. »Man könnte glauben, ich wäre diejenige, die den Ärger macht.«
»Wie lang wohnen Sie schon hier?«
»Ungefähr ein Jahr. Ich würde ja gern wegziehen. Ich bin auf der Warteliste für eine Sozialwohnung. Aber weil ich nicht obdachlos bin, bin ich kein dringender Fall.«
»Wohnt Kims Mutter schon die ganze Zeit unten?«
»Claire? Ja. Die Gegend ist ja günstig für ihr Geschäft.«
Es gab nicht mehr viel zu sagen, und ein paar Sekunden später kam ein Streifenwagen an und hielt hinter dem Polizeibus, neben Jessicas Punto. Zwei Uniformierte stiegen aus und gingen hinüber zu den anderen, die gerade schweres Gerät aus dem Bus holten. Die Wohnungstür war doppelt verglast und den Haustüren der beiden Mordopfer sehr ähnlich. Nach dem, was der Schlosser gesagt hatte, den sie befragt hatte, waren solche Türen nicht so einfach aufzubrechen.
Dann gesellte sich Kim zu den Polizisten und alle fünf gingen zum Haus. Jessica folgte ihnen. Die beiden Leute vom Zugriffsteam baten alle anderen zurückzutreten, während sie mit einem Rammbock die Tür in Angriff nahmen.
Sie mussten immer wieder heftig zustoßen, aber schließlich gab die Tür nach. Jessica wollte als Erste hineingehen, aber Kim war schneller. Sie sauste hinein und verschwand. Jessica wollte gerade mit den anderen Beamten hinterhergehen, aber als sie den markerschütternden Schrei hörte, wusste sie, was sie erwarten würde.
F ÜNFUNDZWANZIG
Die Frau mochte eine Prostituierte gewesen sein, die ihren Nachbarn das Leben schwergemacht hatte, trotzdem hatte sie nicht verdient, auf so brutale Weise zu sterben. Jessica folgte den Schreien und fand Kim, die vollkommen aufgelöst vor einem Doppelbett stand. Jessica sah, dass Kim Blut an den Händen hatte. Ihre erster Gedanke war, dass der Tatort bereits kontaminiert war. Der kräftigere der beiden Uniformbeamten packte die schreiende, um sich tretende Kim und brachte sie hinaus.
Die Frau lag nackt mit ausgestreckten Gliedmaßen und dem Gesicht nach unten auf dem Bett, ihre blonden Haare um den Kopf ausgebreitet und an manchen Stellen vom Blut tiefrot. Die anderen Beamten wollten gerade auch ins Schlafzimmer kommen, aber Jessica hielt sie auf. Sie sagte, sie sollten versuchen, Kim zu beruhigen, und aufpassen, dass die andere Frau nicht verschwand. Jessica holte ihr Handy aus der Tasche und rief die Wache an, um den Leichenfund zu melden und die Spurensicherung anzufordern. Dann sprach sie mit Cole und bat ihn, die Nachricht an den DCI weiterzugeben.
Jessica ließ ihren Blick durch das Schlafzimmer schweifen. Es sah nach einem noch brutaleren Angriff aus als bei den anderen beiden Morden. Anscheinend hatte Claire sich heftig gewehrt. Normalerweise würde man in einem solchen Fall vermuten, dass der Täter ein Freier war, aber Jessica wusste, dass die abgeschlossene Tür auf denselben Mörder hinwies wie bei den anderen beiden Opfern.
Da sie allein in der Wohnung war, schaute sie sich ein bisschen um. Am Ende des Flurs lag die Küche, die ziemlich verdreckt war. Die gelbbraunen Wände mussten früher einmal weiß gewesen sein. In der Mitte der Küche stand ein runder Tisch mit vier billigen Hockern. An der Waschmaschine, in der sich noch Wäsche befand, blinkte ein Licht. Die Maschine war strahlend weiß und sah nagelneu aus, ganz anders als der Rest der Einrichtung. Der billige Linoleumboden war uralt und löste sich an vielen Stellen, und der mit Essensresten verklebte Herd hatte auch schon bessere Tage gesehen.
Auf der Arbeitsfläche entdeckte Jessica eine Handtasche, ein Handy und ein paar Geldscheine. Sie fasste die Scheine nicht an, denn falls der Täter doch ein Kunde war, war dies vielleicht die Bezahlung. Der »Houdini-Würger« hätte sicher keine so offensichtliche Spur hinterlassen, aber Jessica wollte kein Risiko eingehen. Es waren zwei Banknoten: ein schmutziger, zusammengeknüllter Zehnpfundschein und ein neuer, glatter Zwanziger. Dreißig Pfund – dafür wurden heutzutage schon Leute umgebracht, dachte sie kopfschüttelnd.
Neben der Spüle war eine Rolle Küchenpapier. Jessica riss ein Blatt ab und wickelte es sich um die Finger, um die Handtasche zu durchsuchen. Sie wurde sofort fündig. Im Hauptfach befand sich ein Schlüsselbund.
Jessica ging in den Flur. Draußen herrschte noch immer Unruhe. Wahrscheinlich versuchten die anderen immer noch, Kim zu
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