Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Schloss und öffnete die Haustür.
»Mrs Keegan?«, rief Jessica und ging hinein. Zwei Uniformierte folgten ihr. Keine Antwort.
Die Tür führte direkt ins Wohnzimmer und unmittelbar links befand sich die Treppe nach oben. Das Zimmer war makellos sauber und auf einem kleinen Tisch rechts von der Tür lag in einem ordentlichen Stapel die Post.
Die Holzstufen knirschten laut, als Jessica hinaufging. Die geradläufige Treppe führte zu einem Flur, von dem drei Türen abgingen, zwei weiter rechts und eine direkt gegenüber der Treppe. Sie öffnete die erste Tür. Das Badezimmer. Wie der Rest des Hauses war es blitzblank. Badewanne und Dusche glänzten im Sonnenlicht, das durch ein kleines Fenster einfiel. Nichts Auffälliges.
Die nächste Tür führte in ein Zimmer mit Postern von Fußballern und Mädchen im Bikini an den Wänden. Gegenüber der Tür stand ein sorgsam gemachtes Etagenbett, die Laken fest unter die Matratze gezurrt und die blaue Steppdecke ganz gerade ausgerichtet. Auf Schränken und Kommoden standen ein paar Action-Figuren, aber ansonsten war das Zimmer genauso ordentlich wie die anderen. Jessica fragte sich, ob dies Scotts Zimmer war. War er hierher zurückgekehrt, nachdem er Nigel gefoltert hatte? Sie zog die Tür zu, die unten über den Teppichboden schabte, und ein Polizist rief herauf: »Alles klar hier unten.«
Noch eine Tür, dann würde sie das auch sagen können. Sie legte die Hand auf die Klinke, hielt die Luft an und schloss die Augen. Dann drückte sie die Klinke herunter und stieß gegen den Widerstand des Teppichflors die Tür auf. Sie atmete aus und öffnete die Augen. »Nein …«
Auf dem Bett lag eine Frau mit dem Gesicht nach unten. Die Szene war fast identisch mit der in Claire Hogans Wohnung. Nur die Wände hatten eine andere Farbe und anstatt der blutverschmierten blonden Strähnen war eine Masse dunkler Haare auf den Kissen ausgebreitet. Die gelben Vorhänge waren zugezogen und verdunkelten den Raum, trotzdem erkannte Jessica Blutflecken auf der ebenfalls gelben Bettwäsche.
Mehr brauchte sie nicht zu sehen. Vier Leichen reichten ihr. Sie drehte sich um, zog die Gummihandschuhe aus und ging die Treppe hinunter zurück zur Haustür. Die beiden anderen Beamten standen im Wohnzimmer und sahen sie an.
»Nicht hochgehen«, sagte sie. »Jemand soll die Spurensicherung verständigen.«
Jessica beschloss, Paul Keegan selbst mitzuteilen, dass sie eine Tote auf dem Bett gefunden hatte, bei der es sich wahrscheinlich um seine Frau handelte. Sie sprach ganz langsam und sanft, aber der Mann starrte sie nur mit offenem Mund an.
»Sind Sie sicher?« Die Frage, die unter anderen Umständen lächerlich gewesen wäre, klang aus seinem Mund einfach herzzerreißend. Jessica spürte an seinem Tonfall, wie sehr er seine Frauliebte. Manch anderer hätte sich an ihr vorbeigedrängt, um hochzueilen und selbst nachzusehen. Aber Paul Keegan stand auf dem Rasen im Vorgarten und rührte sich nicht vom Fleck. Jessica sah Tränen in seinen Augen und legte ihm einen Arm um die Schulter. Doch dann nahm sie ihn richtig in die Arme und ließ ihn an ihrer Schulter weinen.
Nach kurzer Zeit löste er sich von ihr und strich sein Hemd gerade. Er wischte sich über die Augen, aber die Tränen rannen immer noch. »War er es?«
»Wer?«
»›Houdini‹.«
Auf der Wache hatte sich in der Zwischenzeit einiges getan. Jessica hatte Paul Keegans Frage nicht eindeutig beantwortet. Es war zwar wahrscheinlich, aber absolut sicher waren sie sich nicht. Allerdings konnten sie mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass Nigel Collins der »Houdini-Würger« war.
Paul Keegan wollte das Haus eigentlich gar nicht betreten, hatte sich aber schließlich bereit erklärt, die Tote vor Ort zu identifizieren. Es war zwar brutal, aber besser, er brachte es möglichst schnell hinter sich, als Stunden später zu erfahren, dass seine Frau wohlauf war und jemand eine fremde Leiche in seinem Haus deponiert hatte. Der kurze Blick auf die Tote hatte ihm zwar sehr zugesetzt, aber er war bereitwillig zur Vernehmung mit auf die Wache gekommen. Menschen reagieren vollkommen unterschiedlich auf den Verlustschmerz. Manche, wie Sandra Prince, sind plötzlich nicht mehr in der Lage zu kommunizieren. Bei anderen, zu denen auch Paul Keegan gehörte, hat die Trauer genau die umgekehrte Wirkung. Sie können sich plötzlich an Einzelheiten erinnern, die sie normalerweise vergessen hätten, und denken viel klarer als sonst.
Jessica stand vor der
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