Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
herauskam … Er schien überhaupt nicht zu existieren.
Nigel Collins gab ihnen ein gewaltiges Rätsel auf.
E INUNDDREISSIG
Auf den nächsten Tag hatte Jessica sich ganz und gar nicht gefreut. Jede Nachrichtensendung, ob im Fernsehen oder Radio, brachte als Aufmacher, dass Nigel Collins der »Houdini-Würger« war. Da die Polizei kein anderes Foto zur Verfügung stellen konnte, starrte einen von allen lokalen und überregionalen Zeitungen und aus dem Frühstücksfernsehen die jahrealte Aufnahme des zerschundenen Nigel an.
Jessica war schon um sechs aufgestanden und schaute sich die Meldung an, die ständig wiederholt wurde. Denn manchmal, wenn sie sich etwas immer wieder ansah, wurden die Dinge nach und nach klarer. Zuerst schaltete sie auf die BBC, anschließend schaute sie sich die Nachrichten auf ITV an und wechselte dann wieder zur BBC, um sich die Lokalnachrichten anzusehen. Gleichzeitig surfte sie auf ihrem Handy durch die Nachrichtenseiten im Internet. Aber nirgendwo gab es viel zu berichten. Aylesbury hatte am Vorabend eine Pressekonferenz gegeben. Er hatte den Namen des vierten Opfers bekanntgegeben und den versammelten Medienvertretern mitgeteilt, dass ihr Hauptverdächtiger Nigel Collins sei. Dass es eine Vorgeschichte zwischen ihm und den Kindern der Opfer gab, wurde nicht erwähnt.
Früher oder später würde es doch herauskommen. Jessica war ein wenig erstaunt, dass darüber an diesem Morgen noch nichts auf der Website des
Herald
zu lesen war. Sonst war Garry Ashford bei solchen Geschichten doch immer allen einen Schritt voraus. Aylesbury hatte nachdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Gefahrfür die Bevölkerung bestand. Damit begab er sich ein wenig aufs Glatteis, denn sie gingen zwar davon aus, dass Nigel Collins’ Mordserie beendet war, absolut sicher waren sie allerdings nicht. Sie glaubten nicht, dass die anderen Elternteile in Gefahr waren, aber vielleicht würde er die Peiniger selbst ins Visier nehmen.
Falls die Geschichte nicht schon vorher den Medien zugespielt wurde, würde es auf jeden Fall innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden eine Pressemitteilung dazu geben. Mittlerweile schien es undenkbar, dass der Fall Nigel Collins nicht wieder aufgerollt wurde.
Randall hatte bei ihnen übernachtet und er und Caroline waren eine Stunde nach Jessica aufgestanden. Jetzt sahen sich alle drei zusammen die Fernsehnachrichten an. »Ach, Jess, das ist ja schrecklich«, sagte Caroline und kuschelte sich auf dem Sofa dichter an ihren Freund.
Jessica hatte ihr nicht alles über den Fall erzählt. Er ging zwar seit Wochen durch die Medien, aber die aktuellen Berichte mit all ihren drastischen Einzelheiten wirkten so viel realistischer. »Schon okay«, sagte Jessica mit einem angedeuteten Lächeln.
»Das ist doch einfach krank«, sagte Randall, schlang seine Arme fester um Caroline und küsste sie auf den Kopf.
Jessica musste sich aufmachen. Sie hatte das Gefühl, es könnte ein langer Tag werden, und als sie in die Straße einbog, in der sich die Wache befand, verstärkte sich ihre Befürchtung noch. Vor dem Tor tummelten sich Massen von Journalisten. Oft ging sie im dritten Gang in die Kurve, wenn sie auf den Parkplatz fuhr. Ein Kollege hatte sogar behauptet, er hätte gesehen, wie sie auf zwei Rädern um die Ecke gefahren kam. Aber heute musste sie abbremsen und sich im Schneckentempo durch die Menschentraube schieben. Es waren Fernsehteams da und die Fotografen blitzten, was das Zeug hielt. Während sie dahinkroch und sich bemühte, niemanden zu überfahren, erspähte sie kurz Garry Ashford, der von der drängenden Masse erdrückt zu werden drohte.
Scott Keegan war am Vorabend spät aus Liverpool angereist und saß seitdem in einer Zelle im Untergeschoss der Wache. Siekonnten ihn ohne Anklage bis zu vierundzwanzig Stunden festhalten, aber sie wollten ohnehin nur vermeiden, dass er verschwand, wenn er die Nachricht über Nigel Collins erfuhr. Sie würden ihn morgens verhören und dann auf freien Fuß setzen.
Jessica stellte ihren Wagen ab und betrat die Wache durch den Haupteingang. Hoch oben an der Wand im Empfangsbereich, wo die Leute warten mussten, hing ein Fernseher gegenüber einer Stuhlreihe. Ein paar Jahre zuvor war es jemandem gelungen, den alten Fernseher aus dem Empfang der Polizeiwache zu klauen. Damals wurde viel darüber gewitzelt. Der neue Fernseher war meistens ausgeschaltet, aber an diesem Morgen lief ein Nachrichtensender und der Ton war aufgedreht. Jessica warf im
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