Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
sich ihr eingeprägt.
Paul Keegan sah sie ratlos an und schüttelte den Kopf. »Nein, was denn?«
»Manchmal, wenn wir Opfer oder Angehörige vernehmen, fällt ihnen irgendetwas ein, das ihnen zuerst nicht weiter ungewöhnlich vorgekommen war, aber im Nachhinein ein neues Licht auf einen Fall werfen kann. Zum Beispiel irgendwelche Personen, die sie gesehen haben, oder das Telefon hat geklingelt, aber es war niemand dran … So was in der Art.«
»Wir hatten in der Gegend in den letzten Monaten Probleme mit Kindern. Die sind spätabends mit ihren Rädern rumgefahren und haben Krawall gemacht. Wir haben die Polizei angerufen, aber es kommt ja keiner.«
Solche Geschichten hörte Jessica immer wieder. Sie wusste, so etwas konnte den Leuten das Leben zur Hölle machen, aber schließlich konnte die Polizei nicht überall sein. Es war einfach nicht genug Geld da, und sie hatten ein bestimmtes Soll zu erfüllen, deshalb wurden solche Probleme als nachrangig behandelt. Und wieder fiel Jessica die Ironie auf, wenn man bedachte, wie Pauls Stiefsohn sich als Jugendlicher verhalten hatte.
»Ich kann mich nur dafür entschuldigen, Mr Keegan«, sagte sie. »Fällt Ihnen sonst noch etwas ein?«
»Nein, eigentlich nicht.«
Jessica bedankte sich bei ihm und eröffnete ihm dann, dass sie Scott festnehmen und vernehmen mussten. Sie versicherte ihm, dass sein Stiefsohn nicht verdächtigt wurde, etwas mit dem Tod seiner Mutter zu tun zu haben. Mehr durfte sie ihm aber nicht sagen. Scotts und Stevens Heimreise wurde veranlasst. Steven würde später im Rahmen der Ermittlungen formlos befragt, auch wenn er nicht verdächtigt wurde. Da aber am nächsten Tag durch die Medien gehen würde, dass der Hauptverdächtige Nigel Collins war, mussten sie Scott auf jeden Fall in Gewahrsam nehmen. Sie konnten nicht riskieren, dass er sich aus dem Staub machte, auch wennder alte Fall nicht wieder aufgenommen wurde. Sie mussten ihn auf jeden Fall vernehmen, zumindest, um ihn im Mordfall seiner Mutter als Verdächtigen auszuschließen.
Jessica hatte bereits dafür gesorgt, dass Jonathan Prince und James Christensen wegen des ungelösten Falls verwarnt wurden. Es wurde alles schrecklich kompliziert, da Nigel Collins sowohl Opfer als auch Verdächtiger war, wenn auch in zwei verschiedenen Fällen.
In der Einsatzzentrale kamen die Kollegen, die nach Nigel Collins suchten, nur langsam voran. Die ursprüngliche Liste von siebenundvierzig Personen war auf drei zusammengeschrumpft, die im richtigen Alter waren. Zwei davon wohnten im Großraum London, der dritte in einer Kleinstadt in der Nähe von Nottingham. Ein Beamter würde den Nigel Collins in der Kleinstadt aufsuchen, aber die Zusammenarbeit mit der Metropolitan Police in London war nicht so einfach. Die Struktur der Met war noch komplizierter als die der Greater Manchester Police und ständig geriet man an irgendwelche Bürokraten, die einem sagten, sie seien nicht zuständig. Es war, als hätte man es mit der Polizei in einem fremden Land zu tun. Aber Aylesbury hatte sich höchstpersönlich eingeschaltet und jetzt waren jeweils zwei Beamte unterwegs zu den beiden Leuten in London.
Jessica war sich sicher, es war keiner von den dreien. Der Mörder musste sich längere Zeit im Raum Manchester aufgehalten haben. Wahrscheinlich hatte er Mary Keegan vor der Tat wochenlang beobachtet. Nigel Collins war kein Mensch, der mal eben aus Nottingham oder London hochfuhr, durch Wände ging und wieder verschwand.
Sie gingen von Tür zu Tür, um die Nachbarn zu befragen. Vielleicht hatte ja jemand eine verdächtige Person gesehen. Ein gutes Phantombild war unter Umständen ihre einzige Hoffnung. Die Polizei hatte zwar ein Foto von Nigel Collins, aber nur das mit dem zerschundenen Gesicht, das damals in allen Zeitungen und im Fernsehen zu sehen gewesen war. Das konnten sie nicht verwenden, denn seine Gesichtszüge waren darauf kaum auszumachen; es war nicht einmal zu erkennen, ob er Männlein oder Weiblein war.
Das Kinderheim, in dem Nigel Collins gewohnt hatte, war schon ein paar Jahre zuvor abgerissen worden. Cole hatte bereits ein paar Beamte darauf angesetzt, Heimmitarbeiter von damals aufzuspüren. Aber falls einer von denen ein Foto von Nigel Collins hatte, war es mindestens sechs Jahre alt. Jessica glaubte nicht, dass sie überhaupt etwas Brauchbares finden würden.
Das bedeutete, sie hatten nur einen Namen. Sie wussten nicht, wie er aussah, wussten nicht, wie er in die Häuser eindrang und wieder
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