Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
Vom Netzwerk:
»Klassischen (europäischen) Altertums« verbreiteten Wölfe keine allzu großen Ängste. Im Gegenteil: Die Legende will es, dass Romulus und Remus, die Begründer Roms, von einer Wölfin gesäugt und so am Leben erhalten worden waren. Dazu gibt es allerdings recht unterschiedliche Deutungen. Die Wölfin könnte eine lupa , eine Hure, gewesen sein, so eine Interpretation. Andere meinen, es hätte sich ähnlich wie bei Moses um ausgesetzte Säuglinge gehandelt, die nach einigem Hin und Her doch großgezogen wurden. Jedenfalls ging es in der Gründungssage Roms um Weideland für Vieh und Hirten waren daran beteiligt. Romulus erschlug seinen Bruder Remus und wurde so zum Gründer Roms, das seither seinen Namen trägt. Der Kern der Geschichte lässt sich kaum noch fassen. Da es sich um ein Ereignis handelt, dem eine ganz besondere historische Bedeutung zukommt, wurden die Verhältnisse um das Jahr 752 v.Chr. jedoch viel umfangreicher berücksichtigt als die zoologische Frage, ob denn eine Wölfin überhaupt Menschenkinder und gleich zwei davon erfolgreich säugen und großziehen könnte. Entsprechend gründliche Nachforschungen haben so gut wie keinen überzeugenden Anhaltspunkt dafür geliefert, dass es jemals irgendwo Wolfskinder gegeben hat. Die Zwillinge und die Wölfin stellen daher wohl ein gutes Beispiel dafür dar, wie Tiere als Menschenersatz benutzt und zum Mythos werden.

Das Weihnachtstier
    Manche kennen nur seinen Vornamen Rudi. Den meisten ist es ziemlich gleichgültig, um welches Tier es sich handelt, das zu Weihnachten in Erscheinung tritt und danach wieder verschwindet. Vom Himmel hoch kommt es her. Interessant ist nur das, was es auf dem Schlitten mitbringt. Leichtfüßig zieht es diesen voll bepackt hinter sich her. Ein Hirsch muss es sein. Das beweisen das große Geweih und die langen Beine. Das eher dümmliche Gesicht passt allerdings nicht so recht zum edlen Hirsch. Natürlich wissen wir, worum es sich handelt. Um ein Rentier ( Rangifer tarandus ). Dieser nordische Hirsch gab das Vorbild ab für all die flotten Schlitten-Rudis mit der roten Nase und dem Weihnachtsmann als Lenker. Erfunden hat die Figur angeblich der Amerikaner Clement Moore 1829 in einem Gedicht. Der Rentierschlitten wurde sogar erst 1868 in einer Zeichnung in Harper’s Magazine dargestellt.
    Ursprünglich zogen acht Rentiere den Schlitten. Jedes trug einen eigenen Namen. Rudolf (»Rudi«) war eines von ihnen. In nur gut einem Jahrhundert wurde das Rentier zum Tier, das für Weihnachten ganz ähnlich steht wie der Hase für Ostern. Merkwürdig, denn in den christlichen Krippen kommt es nicht vor. Da stehen Ochs und Esel und die Schafe. Und sie stehen nur so herum. Weitergehende Aufgaben sind ihnen nicht zugedacht worden. Die Weihnachtsgans wäre vielleicht so populär geworden wie zum amerikanischen Thanksgiving Day der (gebratene) Truthahn, wenn da nicht das Rentier gekommen wäre. Sehr christlich ist der mit Gaben bepackte Rentierschlitten zudem nicht. Der Mann, der den Schlitten lenkt, der Weihnachtsmann, stammt auch nicht aus der Bibel. Darin ist er nirgends zu finden. Er wohnt, so heißt es, mit seinen Rentieren auf dem 486 Meter hohen Korvatunturi-Berg in Finnisch-Lappland. Der Berg liegt unmittelbar an der russischen Grenze und knapp jenseits des Polarkreises. Die Poststation des Weihnachtsmanns befindet sich im Städtchen Rovaniemi unweit des Korvatunturi-Berges. Zu Deutsch würde dieser Berg ›Ohrenberg‹ heißen. Warum, bleibt Berggeheimnis.
    Der echte Weihnachtsmann hat auch einen echten Namen: Joulupukki. Der Zusatz: ›asuu Lapissa‹ besagt, dass er in Lappland wohnt. Das ist von Bethlehem ziemlich weit entfernt. Vergleichbar weit klaffen auch die Ursprünge von christlicher Weihnacht und Joulupukki, dem Weihnachtsmann, auseinander. Er gehört nämlich zu den Samen (Saami), die früher auch Lappen genannt wurden. Sie haben das Skifahren erfunden. In ihrer samischen Sprache bedeutet Lappe Rentierhirte. Die Sprache ist ural-altaischen Ursprungs. Die Fertigkeit, Rentiere in Herden halbwild zu halten und sie vor den Schlitten zu spannen, entwickelten die Samen zusammen mit ihren nordsibirischen Verwandten, den Korjaken, Samojeden, Tschuktschen und Kamtschadalen in der Zeit von etwa 1800 bis 900 v.Chr., also vor drei- bis über dreieinhalbtausend Jahren in der Zeit der Hochblüte Altägyptens und der frühen Hellenen Griechenlands. Seither ist das Leben dieser nordischen Völker auf das Engste mit den Rentieren

Weitere Kostenlose Bücher