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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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60 Hühnereiern. Wann die Elefantenvögel Madagaskars ausstarben, ist nicht genauer bekannt. Doch vieles deutet darauf hin, dass die aus Südostasien gekommenen Madagassen die Riesenvögel ausrotteten, wobei die Brandrodung der Savannen Hauptgrund gewesen sein dürfte. Arabische Erzählungen enthalten einen allerdings flugfähigen Riesenvogel namens Roch oder Rock . In mehreren Museen gibt es gut erhaltene Eier des Elefantenvogels, denen 2010 Erbgut entnommen werden konnte.

Vorlieben und Phobien
    Wahrscheinlich hat jeder Mensch ein Lieblingstier, aber bei weitem nicht alle Tiere eignen sich dafür. Der bloßen Zahl nach sind, wenn wir von den kleinen Fischen in Aquarien absehen, die klaren Favoriten Katze und Hund. Sie erfüllen in nahezu optimaler Weise die Grundforderungen, die viele Menschen, die Tiere halten möchten, an letztere richten: Streichel- oder Schmusetier und zuverlässiger Begleiter zu sein. Dazu gleich eine Feststellung: Fabeltiere passen in der Regel zu keiner der beiden Funktionen. Sie wurden nicht als Ersatz für die schmusende Katze erfunden und auch nicht zum Vorbild des idealen tierischen Begleiters von Menschen. Sie stehen, wo sie klar erkennbare tierische Züge tragen, für Anderes, nämlich entweder für Sexuelles oder für Ängste, also für besonders heftige, häufig schwer zu kontrollierende Emotionen. Unter besonderen Umständen konnten auch wichtige Funktionen Ausschlag geben für die Wertschätzung, die einem Tier zuteil wurde. So wurde Bastet, die altägyptische Katzengöttin, nicht als Schmusekatze verehrt, sondern als Mäusevertilgerin. Zahllose Katzenmumien zeugen davon. Bastet ist kein Fabeltier. Aber unnahbar und verehrt, keine Streichelkatze. Die Eulen der griechischen Göttin Athene galten als Zeichen für Weisheit und Weissagung. Auch sie waren keine Streicheltiere. Ängste riefen sie auch nicht hervor. Dass dem Kauz, der auf dem Friedhof in den frühen Nachtstunden »kiuwitt« ruft, angedichtet wurde, er würde jenen Menschen »komm mit!« zurufen, die es wagten, die Friedhofsruhe zu stören, hatte gewiss auch handfeste Hintergründe, wie Grabräubereien, Schändungen und (gegen die Kirche und/oder die Obrigkeit gerichtete) Verschwörungen. Totenvögel wurden die Eulen erst im ausgehenden Mittelalter; in einer Zeit, in der auch die Raben ihren guten Ruf verloren und zu Vögeln des Todes, des Teufels und der Hexen erklärt wurden.
    Bei den Germanen waren die großen schwarzen Raben ebenso wie im antiken Griechenland hochgeschätzte Vögel. Wotan/Odin, oberster, dem Zeus der griechischen Antike entsprechender Gott, der nicht auf einem Olymp, sondern in der Weltenesche Yggdrasil thronte, hatten die Raben Hugin und Munin zu berichten, was die Menschen unten auf der Erde so alles taten und anstellten. Noch vor der Eule, eigentlich dem Käuzchen, waren die Raben die Vögel der Athene. Sie gehörten zum Orakel von Delphi. Nichts Teuflisches, wie eineinhalb Jahrtausende später, war mit ihnen verbunden, sondern sehr große Wertschätzung. Erst in den finstersten Jahrhunderten der europäischen Geschichte, im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit, änderte sich die Einstellung zu den Raben grundlegend. Sie wurden zu Totenvögeln abgestempelt. Raben und Krähen begleiteten wie die schwarze Katze als eindeutiges Zeichen die Hexen, die von der katholischen Heiligen Inquisition, aber auch von Lutherisch Reformierten verfolgt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Die Zeit der Hexenverfolgung wirkt immer noch nach. Raben und Krähen haben ihr schlechtes Image behalten. Alfred Hitchcock nutzte in seinem Film Die Vögel höchst erfolgreich das Klischee der Todesvögel, die über die Menschen herfallen. Mit weißen Tauben wäre ihm das wohl kaum gelungen.
    Schwarz und Weiß repräsentieren in unserem Empfinden das Böse und das Gute. Wir benutzen dieses Klischee ebenso unbewusst wie umfänglich, wenn wir zum Beispiel von »schwarzen Kassen« oder von einer »weißen Weste« sprechen. Das »schwarze Schaf« in der Familie repräsentiert das Schandmal, dessen sich viele am liebsten entäußern würden. Das weiße Kleid soll nach außen Reinheit ausdrücken, etwa für die Braut bei der Hochzeit oder für die jungen Mädchen bei der Erstkommunion. Schwarz ist die Farbe der (Todes)Trauer. Weiß ist das Licht des hellen Tages, schwarz die Finsternis der Nacht. Zwischen der Nicht-Farbe Schwarz und dem allfarbenen Weiß breitet sich für uns Menschen das Spektrum der farbigen

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