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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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mit Alkmene ziemlich intensiven Verkehr genossen, um, so die Begründung, einen Helden zu zeugen. Das erzürnte seine Frau Hera so, dass sie dem Sprössling jede Menge Schwierigkeiten zu bereiten gedachte. Alkmene hatte wohl Gründe für die Geschichte mit Zeus, denn sie brachte zwei recht ungleiche Zwillinge zur Welt: Herakles, der aus dem Samen von Zeus entstanden war, und Iphikles, dessen Vater Amphitryon war. Zeus hatte inzwischen kundgetan, dass das nächste erstgeborene Kind im Hause des Perseus Herrscher über Mykene werden würde. Hera wollte in ihrer Wut verhindern, dass die von ihrem untreuen Gatten geschwängerte Alkmene die Erste sein würde und zögerte daher die Geburt bei Alkmene so sehr hinaus, dass Eurystheus, der Sohn des Onkels von Amphitryon, zuerst geboren wurde und somit als der Ältere der rechtmäßige Herrscher werden würde.
    Aus Angst vor Hera setzte Alkmene den frisch geborenen Herakles aus. Doch seine ältere Halbschwester Athene nahm ihn zu sich und überbrachte den Säugling Hera. Diese erkannte nicht, um wessen Kind es sich handelte, gab ihm die Brust und sorgte sich um ihn. Der kleine Herakles saugte jedoch so stark, dass ihn Hera schmerzerfüllt von sich stieß und dabei jene (göttliche) Milch verspritzte, aus der am Himmel die Milchstraße wurde. Die genossene Milch der Göttin genügte Herakles jedoch voll und ganz, um übernatürliche Kräfte zu entwickeln. Athene erhielt den Kleinen wieder zurück. Sie überbrachte ihn der Mutter. Beide Söhne gediehen nun gemeinsam, aber Herakles zeichnete sich sehr früh durch seine außergewöhnliche Stärke aus. Als er gerade acht Monate alt war, ließ die inzwischen wieder aufmerksam gewordene Hera zwei große Schlangen ins Zimmer der Zwillinge hineinkriechen. Iphikles schrie vor Entsetzen auf. Zwar machte er als der Schwächere den weit klügeren Eindruck. Doch gegen die Schlangen wusste er sich nicht zu helfen. Herakles aber packte und erwürgte sie einfach. Teiresias, der blinde Seher, sagte nach dieser Tat dem Knaben eine große Zukunft voraus und dass er viele Ungeheuer vernichten werde.
    Teiresias ist eine interessante Gestalt. Hesiod berichtet, dass er ursprünglich ein Priester des Zeus gewesen war. Als er draußen am Berg zwei Schlangen sah, die sich paarten, tötete er die weibliche und wurde dadurch selbst in eine Frau verwandelt. Als solche diente er/sie nun Hera als Priesterin. Sieben Jahre später, inzwischen verheiratet und mit Nachkommen, traf sie/er wieder auf ein Paar Schlangen in Kopula. Dieses Mal erschlug sie die männliche und wurde daraufhin selbst zum Mann zurückverwandelt. Teiresias war also ganz offensichtlich ein Hermaphrodit. Und da er/sie sowohl die männliche als auch die weibliche Lust erlebt hatte, zogen ihn Zeus und Hera hinzu, die Frage zu klären, welches Geschlecht denn nun intensiver die Liebeslust empfinden könne. Zeus, der in Liebesaffären Erfahrene, war der Meinung, dass das die Frau sein müsse, Hera hingegen meinte, der Mann müsse es sein, wie sonst könnte er dauernd dieser Lust hinterherjagen. Teiresias stellte fest, dass er im weiblichen Zustand das Neunfache an Lust empfunden hatte. Hera machte das so wütend, weil er das Geheimnis der Frauen damit verraten hatte, dass sie ihn blind machte. Zeus, unfähig, die Erblindung rückgängig zu machen, verlieh Teiresias zum Ausgleich die Gabe des Sehens in die Zukunft und verlängerte gleichzeitig seine Lebensdauer auf das Siebenfache. Ob Hermaphrodit oder Homosexueller, dessen erotische Ausrichtung von der Beobachtung sich paarender »Schlangen« (sie stehen wohl stellvertretend für Geschlechtsakte von Menschen) verändert worden war, der »Blick« ins verborgene Leben beider Geschlechter hatte Teiresias »sehend« (= verstehend) gemacht. Es war vorherzusehen, dass sich der Kraftprotz am besten mit der eigenen, doch einmal überschätzten Kraft würde vernichten lassen.
    Dies zu erreichen versuchte der ihm durch das Vorrecht des Erstgeborenen vorgezogene Eurystheus, zumal er Grund genug bekommen hatte, Herakles’ Kraft zu fürchten. Das kam so: Herakles war im Faustkampf und im Ringen ausgebildet und in den Fertigkeiten des Bogenschießens, Fechtens und Streitwagenlenkens unterrichtet worden. Er konnte auch gut auf der Leier spielen, war aber außerordentlich jähzornig. Nachdem er in einem Anfall von Wut seinen Musiklehrer mit der Leier erschlagen hatte, weil ihn dieser tadelte, bekam sein Pflegevater Amphitryon Angst vor ihm. Er schickte ihn

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