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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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die Gallier Rom erstürmten. Der Rest des römischen Heeres hatte sich auf dem befestigten Kapitol verschanzt. Ein Gallier kannte oder fand den geheimen Aufgang dazu und führte eine Spezialtruppe in der Nacht zum Angriff nach oben. Die schlafenden Hunde bemerkten das nicht, wohl aber die Gänse, die mit ihrem erregten Schnattern die Wachmannschaft weckten, so dass diese den Angriff abwehren konnten. Die Gänse wurden im Heiligtum der Juno gehalten. Dieser Legende zufolge gelten die kapitolinischen Gänse als Retter Roms und als aufmerksamere Warner als die Hunde. Über 350 Jahre waren bereits vergangen, als Livius die Geschichte aufschrieb. Hausgänse, die von der frei lebenden Graugans ( Anser anser ) abstammen, wurden schon im Alten Ägypten in großem Umfang gehalten und gemästet. Dort waren sogar so große Rassen gezüchtet worden, die in der Größe kleinen Schwänen gleichkamen. Gerade wegen der Mast, bei der die in engen Käfigen gehaltenen Gänse gestopft wurden, erscheint die Wächterfunktion aber eher unwahrscheinlich. Der Ort, das Heiligtum der Juno, dürfte kaum ein Gänsemastbetrieb gewesen sein. Für wahrscheinlicher halte ich es, dass die Warner ein Paar Nilgänse Alopochen aegyptiacus gewesen waren. Diese kleinen, nur gut entengroßen Gänse sind außerordentlich wachsam und geradezu unerträglich laut. Sie verteidigen auf das Heftigste ihr Revier, zumal wenn sie Junge führen. Da schrecken sie nicht einmal vor Büffeln zurück, greifen Löwen an und vertreiben mit Erfolg die immens flinken Paviane, wenn es deren nicht zu viele sind. Sie können durchaus Hunde auf Abstand halten, was nebenbei erklären würde, weshalb die Wachhunde auf dem Kapitol nicht angeschlagen hatten, als die feindlichen Gallier sich anschickten, in die Festung einzudringen. Bereits ein Jahrtausend vor diesem Ereignis hatten die Alten Ägypter Nilgänse gehalten und so weit domestiziert, dass sie vergleichsweise leicht zu halten waren. Die viel größere Graugans lag den Römern mehr, weil sie ergiebiger und auch nicht annähernd so aggressiv wie der kleine Vetter vom Nil war.
    Diese Abschweifung lenkt die Betrachtung zurück an den Nil in die große Zeit des Alten Ägyptens. Dort geschah im Hinblick auf die Tiere ungleich mehr als andernorts in Europa. Mit Fug und Recht lässt sich sogar behaupten, dass nirgendwo sonst in einem dermaßen großen Umfang und mit einer solchen Beharrlichkeit die Domestikation von Tieren versucht worden war. Die »großen Mythen«, die sich bis heute gehalten haben, stammen im weiteren Sinne aus dieser Region und aus jener Zeit, in der das Dreieck von Ägypten, Griechenland und dem Vorderen Orient bis Persien das Zentrum der ›Alten Welt‹ gebildet hatte.

Antike Tierwelt
    Die zwölf Aufgaben des Herakles
    Herakles bezwang den Löwen. Die Römer latinisierten ihn und nannten ihn Herkules. Wie so mancher Supersportler unserer Zeit wurde ihm die Ehre zuteil, wie ein Gott in den Olymp aufgenommen zu werden. Das machte ihn zu einem Olympikonen. Gymnasien waren im antiken Griechenland Sportstätten. Herakles galt als ihr Beschützer und wurde entsprechend verehrt oder zu Hilfe gerufen. Auch die Inhaber von Palästen hatten heraklische Hilfe nicht selten nötig. Sie ließen sich Statuen fertigen, die seine Kraft – abschreckend – zum Ausdruck brachten. Herakles war ein sogenanntes natürliches Kind des Zeus, das dieser mit der schönen Alkmene gezeugt hatte. Auf recht pikante Weise allerdings. Alkmene, so beschrieb sie Hesiod, sei eine hochgewachsene Frau von außerordentlicher, geradezu unübertrefflicher Schönheit gewesen. Noch ungewöhnlicher bei ihrer Schönheit war, dass sie zudem klüger als alle anderen Menschen war. Als Tochter des mykenischen Königs Elektryon war sie zunächst mit Amphitryon, dem König von Theben, verheiratet worden.
    Vor der Hochzeitsnacht stellte sie fest, dass diese erst vollzogen werden könnte, wenn die Morde an ihren Brüdern gerächt seien. Sie verführte Amphitryon dazu, die Blutrache zu vollziehen. Dieser ging ein großes Stück zu weit und tötete auch gleich seinen Schwiegervater, so dass Amphitryon mit seiner Braut in Theben Zuflucht suchen musste. Kaum hatte dieser nun die Hochzeitsnacht vollzogen, erklärte Alkmene, schon eine Nacht davor mit ihrem Bräutigam geschlafen zu haben. Teiresias, der berühmte blinde Seher, klärte das Unerklärliche auf: Zeus war mit im Spiel. Er hatte die Gestalt ihres Bräutigams angenommen und gleich drei Nächte lang

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