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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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die lateinische Umschreibung mala aurea eingeführt. Carl von Linné übernahm die Einstufung von Ferrarius in sein Werk über die Pflanzen, das Grundlage für die botanische Namensgebung wurde. Im Volk hielt sich jedoch hartnäckig die von der Kirche geschürte Meinung, die »Goldäpfel« würden zu liebeshungrig machen. Die Tomate blieb so über zweihundert Jahre lang eine Zierpflanze in botanischen Gärten und eine köstliche Rarität in Fürstenhäusern. Da es keine Belege dafür gibt, dass die Zitrusfrüchte schon im Altertum bekannt waren und jenseits von Gibraltar, auf den Kanarischen Inseln, kultiviert wurden, schien die andere Vermutung näher zu liegen, es habe sich tatsächlich um Tomaten gehandelt, die von früheren Amerikafahrten, wie sie die Phönizier gemacht haben könnten, dorthin gebracht worden waren. Da die Hesperiden in der Antike eine so große Rolle gespielt hatten, können sie nicht einfach erfunden worden sein. Auf Teneriffa wächst der »hundertköpfige« Drachenbaum, dessen Saft wie rotes Blut aussieht. Die Phönizier hatten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Afrika von Osten her umschifft. Sie waren wohl auch auf die Kanarischen Inseln gekommen. Lavaausbrüche veränderten die Inseln immer wieder; Lanzarote stellt sich gegenwärtig als eine »Feuerinsel« dar. Es fällt daher schwer, die fruchtbaren Gärten der Hesperiden als reine Wunschvorstellung abzutun, zumal auf manchen dieser Inseln tatsächlich ›ewiger Frühling‹ herrscht.
    Interessant scheint mir in diesem Zusammenhang die Verknüpfung der goldenen Äpfel mit langem (»ewigem«) Leben. Die antiken, eher zur Herstellung von Most als zu genussreichem Verzehr geeigneten Äpfel gaben dafür ja kaum ein geeignetes Vorbild ab. Ihre lateinische Bezeichnung malus steht doppeldeutig für ›Apfel‹ und für ›schlecht‹. Sollte es in der Antike tatsächlich bereits Tomaten auf den Inseln des ewigen Frühlings gegeben haben, wäre die Verknüpfung mit dem ewigen Leben plausibel. Denn wo immer Frühling, d.h. Jugend, herrscht, ändert sich nichts. Also sollten, so die Schlussfolgerung, auch die Menschen ewig leben können wie die Götter, denen diese Goldenen Äpfel vorbehalten waren. In der Vertreibung aus dem Paradies der Genesis findet sich das entsprechende Thema. Adam und Eva dürfen nicht vom Baum der Erkenntnis essen. Eva pflückt die Frucht dennoch und löst damit den Sündenfall aus. Diesen von Herakles eigentlich bereits begangenen Frevel hat Athene durch die Rückgabe der Goldenen Äpfel rechtzeitig wieder rückgängig gemacht. Daher wissen wir auch nicht, um welche »Äpfel« es sich gehandelt hatte, die er aus dem fernen Westen nach Griechenland gebracht hatte.
    Die zwölfte und letzte Aufgabe führt Herakles nun an den Eingang zur Unterwelt. Der Höllenhund Kerberos, dessen Name eigentlich ›Dämon der Grube oder der Finsternis‹ bedeutet, bewacht den Zugang. Allerdings bestand die Aufgabe des Hundes nicht darin, Ankommende am Eintreten zu hindern, sondern Hineingekommenen das Entkommen zu verwehren. Hades, der Gott der Unterwelt, erlaubt es Herakles, sich ohne Waffen mit dem Hund zu messen. Dieser bezwingt den Hund. Er darf ihn gefesselt nach oben tragen und Eurystheus vorführen, muss ihn aber gleich wieder zurückbringen. Aus dem Maul des Hundes tropft dabei giftiger Schleim, aus dem die Giftpflanze Eisenhut ( Aconitum lycotonum ) entstand. Ihr Saft wurde früher zum Vergiften von Ködern verwendet, die gegen Wölfe ausgelegt wurden. Das Hauptgift, das Alkaloid Aconitin, gehört zu den stärksten Giften der Pflanzenwelt. Es wird bereits durch die unverletzte Haut aufgenommen. Wenige Gramm der Eisenhutpflanze können einen Menschen töten. Erinnern wir uns an die von Herakles unschädlich gemachte Hydra. Ihr Leib enthielt ein tödliches Gift, das der Held für seine Pfeile verwendete. Falls es sich bei der Hydra um ein giftiges »Quelltier« gehandelt hatte, das man als neunköpfige Schlange darstellte, um die Giftigkeit der Schlange mit einzubauen, haben wir nun zur chemischen Erklärung, Blutlaugensalz, eine pflanzliche, Eisenhut. Das eisenhaltige Blutlaugensalz enthält Zyanid, das erst in chemischer Reaktion mit anderen Stoffen, zum Beispiel mit Blut, frei wird und seine hohe Giftigkeit (»Zyankali«) entfaltet. Der Eisenhut kann als Pflanze schattig feuchter Stellen im Wald im verhältnismäßig trockenen östlichen Mittelmeerraum an diesen Hydra genannten Quellen gewachsen und von Herakles zum

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