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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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in den angrenzenden Wäldern des Ussurigebietes. Dort hat auch der Sibirische Tiger überlebt. Die heutigen, mehr oder weniger stetig schrumpfenden Bestände sind die Reste eines einst weithin geschlossenen Vorkommens, das beim Löwen nahezu ganz Europa und einen Großteil Asiens umfasste, während der Eiszeit sogar hinüber nach Alaska reichte. Das Areal des Leoparden ähnelte dem des Löwen, erstreckte sich aber nicht über die nordwestlichen und nördlichen Regionen Europas und Asiens. Leoparden brauchen mehr Wärme als Löwen. Beide benötigen große Beute zum Leben. Solche gab es während und noch in den Jahrtausenden nach der letzten Eiszeit in den nicht von Eis bedeckten Gebieten Eurasiens offensichtlich in weitaus größerer Zahl als gegenwärtig. Daran ist nicht allein der Mensch schuld, der die Großkatzen zu vernichten versuchte, wo immer das ging. In der Eiszeit jagen auch die Menschen noch mit den einfachen Mitteln von Wurfspießen und Fallen. Vielleicht waren sie kaum weniger effiziente Jäger als die Löwen oder die Wolfsrudel, mit denen sie auf der Jagd nach dem Wild immer wieder zusammentrafen. Zudem gab es große, sehr kräftige Hyänen, die wie auch die Eiszeitlöwen mit den gegenwärtig noch in Afrika vorkommenden Arten sehr nahe verwandt waren. Um sie von diesen als fossil, also ausgestorben, zu unterscheiden, setzte man einfach ›Höhlen-‹ vor ihre Namen: Höhlenlöwe, Höhlenbär und dergleichen. Sie lebten natürlich ebensowenig wie die Menschen andauernd in Höhlen, sondern suchten diese nur zeitweise als Schutz auf. Oder ihre Knochen sammelten sich darin an. In dieser Zeit vor über zehntausend Jahren zogen große Herden von Rentieren ( Rangifer tarandus ), Saigaantilopen ( Saiga tatrica ) und Wildpferden ( Equus przewalski ), Gruppen von Mammuts ( Mammuthus ) und Wollnashörnern ( Coelodonta antiquitatis ) über die ›Mammutsteppe‹ genannte, weithin offene Landschaft vom Atlantik im Westen bis zur damals trocken gefallenen Beringstraße im Nordosten Asiens. Die Eiszeittierwelt ähnelte stark der heutigen in Ostafrika, auch wenn sie nicht so artenreich war. Aber die im Eiszeitland lebenden Arten waren zahlreich. Weiter südlich, im vorderen Orient und jenseits des Mittelmeeres in Nordafrika gab es Gazellen und Antilopen. Auch davon zeugen Reste in Zentralasien und in Teilen Indiens. Diesen Großtieren folgten die Löwen, Leoparden, Hyänen und die Wölfe. Und die Menschen, die als Jäger und Sammler unterwegs waren und ein weitgehend nomadisches Leben führten.
    Vor rund zehntausend Jahren ging die letzte Eiszeit, das Würm- oder Weichsel-Glazial, ziemlich abrupt zu Ende. Die dem grönländischen Eis entnommenen Bohrkerne zeigen in den Analysen geradezu sprunghafte Temperaturanstiege um sieben bis zehn Grad Celsius in der Spanne eines einzigen Jahrhunderts. Eine Wärmeperiode setzte ein und hielt sich mehrere Jahrtausende lang. In Europa und großen Teilen Asiens war es um drei Grad und mehr wärmer als gegenwärtig. Das Eis taute rasch. Fluten kaum vorstellbarer Größe formten die Flusstäler, in denen die heutigen Flüsse im Vergleich dazu nur noch Rinnsale sind. Die klimatische Entwicklung verlief jedoch nicht kontinuierlich, sondern in mehr oder weniger ausgeprägten Wellen. Kälterückschläge kamen, die Jahrhunderte andauerten, ebenso wie neue Wärmeperioden. Wälder rückten in Gebiete vor, die jahrtausendelang von Eis bedeckt waren. Die Niederschläge änderten sich. Wo sie abnahmen, breiteten sich Trockengebiete aus. Das größte von allen reicht von Westafrika in Form der Sahara über ganz Nordafrika und über den größten Teil der Arabischen Halbinsel nach Vorderasien und erstreckt sich weiter nach Zentralasien hinein. In seiner heutigen Ausdehnung erreicht es mit den Ausläufern der Wüste Gobi fast Peking. Dieses gewaltige, viele Millionen Quadratkilometer umfassende Trockengebiet entwickelte sich in den Jahrtausenden seit Ende der letzten Eiszeit. Es gab Phasen, in denen es dank gestiegener Niederschläge schrumpfte, und solche, in denen sich die Wüste rasch wieder ausbreitete. Weder ist der gegenwärtige Zustand stabil noch war das jemals einer in der Vergangenheit. Auf die Jahrtausende bezogen, bildet die Gegenwart eine Momentaufnahme: für die Pflanzenwelt, für die Tiere und auch für die Menschen und ihre Lebensweise. Im Zusammenhang mit den Fabeltieren ist vor allem die Zeit der zwei bis drei Jahrtausende vor Christus wichtig. Ich komme darauf zurück nach einem

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