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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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aber er blieb trotzdem ein paar Minuten in der Scheune. Dort trieb er seine von der Arbeit gehärtete Faust immer wieder in einen Hafersack. Auf seiner Stirn brach der Schweiß aus und lief über seine Schläfen an seinem Gesicht herab, der Atem kam stoßweise aus seinen Nasenflügeln, und er murmelte Flüche in sich hinein, die um so schrecklicher waren, weil er nicht vollständig wußte, gegen wen oder was sie gerichtet waren.
    Mit einer leichten Übelkeit im Magen schloß er leise das Scheunentor hinter sich zu. Von der Farbe des Sonnenuntergangs und dem Gefühl des Winds konnte er ablesen, daß es eine schöne Nacht werden würde. Diese Erkenntnis erfüllte ihn zu gleichen Teilen mit Vorfreude und Schuldbewußtsein.
     
    Die Luft hatte gerade die richtige Temperatur, und auch der Tau war gerade so gefallen, daß ein gleichmäßiger und perfekter Film von Feuchtigkeit alles bedeckte. Cottrell schloß die Hintertür leise und schlich geräuschlos in einem solchen Winkel über den feuchten Rasen, daß er die Lehmstraße genau an dem Punkt erreichte, wo sein Besitz aufhörte und der von Mr. Holland begann.
    Als er durch die Dunkelheit lief, bewegte sich der Schotter geräuschlos unter seinen Mokassins, sein Patronengurt schlug sanft an seinen Körper, und dann und wann spürte er, wie geöltes Metall seine Wange berührte, als sein Karabiner, den er am Riemen um die Schulter trug, ihn mit seinem geschwungenen Magazin berührte. Es war ein beruhigendes Gefühl – sein Vater hatte es vor ihm gespürt und der Vater seines Vaters davor. Für sie alle war es das Zeichen des freien Mannes gewesen.
    Als er so nahe an Mr. Hollands Haus gekommen war, wie er konnte, ohne die Hunde aufzuschrecken, ging er von der Straße herunter und glitt in den Graben, der neben ihr verlief. Er legte sich den Karabiner in seine gebeugten Arme und robbte lautlos und schnell, bis er so nahe an dem Haus war, wie der Graben es zuließ.
    Er hob seinen Kopf hinter einem Büschel Unkraut empor, das er während eines Frühlingssturms dort eingepflanzt hatte. Von dieser Deckung aus konnte er die Vorderfront des Hauses genau überblicken. Der Wind mußte ganz genau richtig stehen, um all dies zu ermöglichen, ohne daß der Hund Witterung von ihm bekam. In solchen Nächten war das der Fall.
    Das Wohnzimmerfenster – wahrscheinlich das einzige ebenerdige Wohnzimmerfenster in der Gegend, bemerkte er zu sich selbst – war erleuchtet, und sie war in dem Raum. Cottrell versuchte, das laute Geräusch seines Atmens zu beherrschen und biß sich auf die Unterlippe. Sorgfältig hielt er seine Hände vom Metall seines Karabiners fern, denn seine Handflächen waren naßgeschwitzt.
    Er wartete, bis sie schließlich das Licht ausmachte und die Treppe hinab ins Schlafzimmer ging. Dann ließ er den Kopf herabsinken und legte ihn einen Augenblick auf seine verschränkten Arme. Seine Augen waren geschlossen, und sein Atem war außer Kontrolle, bis er sich leise herumdrehte, um in dem Straßengraben zurückzukriechen. Heute abend, so kurz nach dem, was ihm seine Mutter gesagt hatte, war er zwar schockiert, aber nicht wirklich überrascht, als er bemerkte, daß Tränen ihm die Sicht verschleierten.
    Er erreichte die Stelle, an der es sicher war, den Graben zu verlassen, und richtete sich auf. Er setzte einen Fuß auf die Straße und sprang mit einer flüssigen Bewegung auf die Lehmdecke. Den dunklen Schatten zwischen den vereinzelten Büschen und Hecken, die am Straßenrand standen, bemerkte er nicht. Mr. Holland sagte leise: „’n Abend, mein Junge!“
     
    Cottrell ließ seine Schulter sinken, bereit, den Karabiner, den er sich gerade wieder über die Schulter gehängt hatte, herunter und in seine Hand gleiten zu lassen. Er stand ohne Bewegung und schaute Mr. Holland an, der zu ihm herübergetreten war.
    „Mr. Holland!“
    Der Alte lachte. „Mich hast du wohl nicht erwartet, was?“
    Cottrell stellte mit einiger Erleichterung fest, daß der Mann offensichtlich nicht voll berechtigten Zornes war. „Guten … äh … guten Abend, Sir“, murmelte er. Allem Anschein nach würde er nicht sofort umgebracht werden, aber man wußte nie, was im Kopf des Nachbarn vor sich ging.
    „Da habe ich also doch recht gehabt mit meiner Vermutung über das Unkrautbüschel, das da so plötzlich gewachsen ist.“
    Cottrell spürte, wie ihm das Blut in die Ohren schoß, aber er sagte: „Unkraut, Sir?“
    „Ganz schön schlau. Aus dir könnte mal ein guter Kämpfer werden.“

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