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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Gegenstand, nicht einmal ein Klo. Ein Knopf an der Wand verbindet mich
mit der Außenwelt, nämlich dem wachhabenden Polizisten am Empfang. Das scheint in
dieser Nacht offenbar Marcel Langer zu sein, denn als ich mittels Knopfdruck
und Lautsprecher mein Bedürfnis äußere, schließt er mir die Zelle auf und führt
mich zur nebenan gelegenen Toilette.
    »Wie spült man denn hier?«, rufe ich verärgert durch die angelehnte
Tür.
    »Gar nicht«, antwortet er, »das übernehme ich.«
    »Wie peinlich!«
    »Tut mir leid, aber manchmal müssen wir eben nachsehen, was aus
Drogendealern rauskommt.«
    »Toller Job. Und bei mir schauen Sie nach, ob ich einen Faustkeil
verschluckt habe?«
    »Ich sagte doch schon, dass es mir leidtut. Und ich verspreche, ich
schaue nicht hin.«
    Sehr tröstlich. Und höchst erniedrigend. Vielleicht ein Vorgeschmack
auf das, was mich noch erwartet. Nachher in Eupen, wenn ich dem Staatsanwalt
vorgeführt werde. Wenn. Das werde erst in der Früh
entschieden, hat Marcel Langer gemurmelt, nachdem er noch in der Nacht meine
Aussage in der freundlich eingerichteten Polizeistube offiziell zu Protokoll
genommen hat. Wo es zwar fünf Schreibtische, aber nur einen Computer gibt.
    »Wieso wenn?«, fragte ich, als er mich durch den Gang zu meiner
Zelle führte. »Wenn in Deutschland jemand festgenommen wird, muss er nach einer
bestimmten Zeit dem Staatsanwalt vorgeführt werden. Ist das in Belgien etwa
anders?«
    »Darüber sprechen wir morgen«, erwiderte er ausweichend. Bevor er
mich in den dunklen Raum eintreten ließ, reichte er mir eine Tüte belgischer
Pralinen. Dann wünschte er mir eine gute Restnacht und schob von außen geräuschvoll den Riegel vor.
    Nachts in der Zelle
    Die erste mit Trüffelsahne gefüllte Praline schmilzt im
Mund. Wenigstens werde ich eine Nacht ohne quietschende Bettfedern verbringen.
Ein Steinbett kann nicht ächzend bedauern, schon wieder einer Verbrecherin als
Lagerstatt dienen zu müssen. Aber bin ich das wirklich? Ich zermartere mir das
Hirn, ob ich alles erzählt habe, was ich gewusst, getan und mir aus den vielen
losen Bruchstücken von Vergangenheit und Gegenwart zusammengesetzt habe. Das
ungute Gefühl, etwas Entscheidendes übersehen oder ausgelassen zu haben, will
nicht von mir weichen und stiehlt mir den so dringend benötigten Schlaf.
    Ein reines Gewissen ist nicht das beste Ruhekissen, wenn man sich
selbst einer möglichen Unterlassungssünde zeiht. Und es will mir einfach nicht
aus dem Kopf, dass ich der Lösung dieses mörderischen Rätsels schon ganz nahe
gewesen sein muss.
    Vielleicht sogar schon am Anfang, als mir der Mann, den ich für
meinen Bruder hielt, am Donnerstag die Tür geöffnet hat. Bevor es zu all diesen
Katastrophen gekommen ist. Hätte ich sie verhindern können? Habe ich sie
möglicherweise gar ausgelöst? Wie recht doch die Einheimischen kleiner Orte
haben, Fremde, die sich ihnen aufdrängen, argwöhnisch zu beäugen!
    Ich habe mich Gerd Christensen aufgedrängt. Da gibt es gar nichts zu
beschönigen. Aber hätte er sich mir gegenüber nicht so flegelhaft verhalten,
wäre er vielleicht noch am Leben. Und die anderen beiden Männer auch. Dieser
Gedanke treibt mich um.
    Etwas Licht fällt durch die sechs Glasbausteine, die nahe der
Zellendecke in die Mauer eingelassen sind. Blauen Himmel kann ich nicht
erkennen, erahne also einen trüben Tag, der das Herannahen des Herbstes
kundtut. Ich starre auf die vier übrig gebliebenen Pralinen in der Tüte auf dem
Fußboden und beschließe, sie meinem armen Zellennachfolger zu hinterlassen.
    Was vor einer Woche wirklich geschah
    Etwas mulmig war mir schon zumute, als ich im strahlenden
Sonnenschein des Spätnachmittags auf der Kehr eintraf. Ich erinnere mich genau
daran, meinen Wagen direkt am Haus von Gerd Christensen abgestellt, laut an die
Tür geklopft und höllisches Hundegebell vernommen zu haben.
    So weit stimmt die Geschichte, die ich Marcel Langer bei unserer
ersten Begegnung erzählte. Ehe ich im Laufe meiner Befragung wieder mit der
Wahrheit fortfuhr, ließ ich etwas aus. Sie müssen nichts
sagen, was Sie selbst belastet , wird jedem Zeugen vor Gericht
mitgeteilt. Nur lügen dürfen Sie nicht. Nun, um mich nicht
selbst zu belasten, ist mir angesichts Langers hartnäckiger Fragerei nur die
Lüge übrig geblieben.
    Die er mir nicht abgenommen hat. Schon gar nicht, als er sah, wie
Linus auf mich und das Kalbsleberbrötchen in meinem Wagen reagierte.
    Der Hund kennt Sie!
    Klar kannte mich der

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