Einkehr zum toedlichen Frieden
Stunden in Belgien aufgenommener Bericht bereits im
deutschen Prüm angekommen ist.
»Wir stehen in ständigem Kontakt mit der belgischen Polizei«, sagt
er, »auch ohne Kapitalverbrechen senden wir uns täglich Ereignisberichte zu.«
Ich frage, ob es in der Kehrer Sache denn Neuigkeiten gäbe.
Junk schüttelt den Kopf. Als Journalistin wisse ich sicherlich, dass
er mich über den Stand der Ermittlungen nicht informieren dürfe, aber dass die
drei Fälle miteinander in Verbindung stünden, sei ja kein Geheimnis mehr. Die
internationale SOKO mache
Überstunden. Er deutet auf ein Papier, das mit Polizeizone
Eifel überschrieben und in die Bereiche Luxemburg, Belgien, Frankreich
und Prüm aufgeteilt ist.
»Dann muss Prüm ja sehr wichtig sein«, bemerke ich überrascht.
»Aber sicher, schon seit dem frühen Mittelalter«, versichert Junk.
Hier habe einst die Hausabtei der Karolinger gestanden, Karl der Große sei hier
geboren, und die prächtige Salvatorkirche am Hahnplatz bewahre nicht nur den
Sarkophag Kaiser Lothars, sondern auch die Sandale Jesu, die König Pippin im
achten Jahrhundert aus Rom mitgebracht habe.
Beeindruckt von der Bedeutung dieses Städtchens und beschämt ob
meiner bisherigen Unbildung, rüttele ich wenig später an der Glastür eines
Fotoladens.
Mittwochnachmittag geschlossen.
»Hallo, Katja!«
Vor mir steht eine sehr elegant in Rotviolett gewandete Erscheinung
mit roten Schuhen und dazu passenden frisch gefärbten Haaren.
»Gefällt es dir?«, fragt Hein und fasst sich an den Schopf. »Ich
wollte mal was anderes ausprobieren.«
Ich benötige ein paar Sekunden, um mich von dem Schreck zu erholen,
dem Mann gegenüberzustehen, den ich jetzt für den Drahtzieher der drei Morde
halte. Weiß Hein, dass die alten Ägypter die Farbe Rot als Dämonisches, Böses
und Zerstörerisches betrachteten? Dass sie unter dem Begriff Rot machen töten verstanden? Hat ihm ein kollektives
historisches Unterbewusstsein diese verräterische Farbe eingegeben?
»Was werden die Nachbarn sagen, wenn du mit roten Haaren zur
Beerdigung deines Vaters kommst?«, frage ich zurück.
»Dass bei einigen chinesischen Völkern Rotviolett als Trauerfarbe
gilt«, kontert er und hakt sich bei mir ein.
»Du kannst deine Bilder ja im Drogeriemarkt entwickeln lassen«,
setzt er hinzu und deutet auf den Rollfilm in meiner Hand.
Hastig lasse ich das wahrscheinlich wichtige Beweisstück in der
Handtasche verschwinden und nutze die Gelegenheit, mich zu enthaken. Mit einem
Mann, der andere Menschen zum Morden instrumentalisiert, wünsche ich keine
Tuchfühlung.
Er spürt mein Unbehagen, fragt voller heuchlerischem Mitgefühl, ob
mir Marcel Langer in St. Vith denn so schrecklich zugesetzt habe und ob er
etwas für mich tun könne.
Dass er mit einem Mordgeständnis der ganzen Gesellschaft einen
Gefallen täte, verschweige ich lieber und bitte ihn stattdessen, mir den Weg zu
einem Supermarkt zu weisen.
»Da muss ich auch hin«, sagt er, »und in der Drogerie nebenan kannst
du deine Fotos entwickeln lassen.«
Wovon ich allerdings absehe, als ich im Drogeriemarkt das Regal
sehe, wo die fertigen Bilder in Umschlägen von jedermann herausgeholt werden
können. Sollte mein Begleiter ahnen, dass diese altmodische Filmrolle
verräterisches Material enthält, könnte er mir zuvorkommen.
Ich rede mich heraus. Die Qualität der Massenabzüge lasse zu
wünschen übrig, weshalb ich lieber warten wolle, bis das Fachgeschäft wieder
öffne. Ich rechne mit Protest seinerseits, der eloquenten Versicherung, niemand
mache bessere Abzüge als das Labor der Drogerie, aber so dumm ist er nicht.
Sonst hätte er sich bestimmt schon viel eher eine Blöße gegeben.
Im Supermarkt weist Hein lachend auf eine Theke neben dem Eingang.
»Schau an, hier kann man jetzt auch Fotos entwickeln lassen!«, ruft
er und setzt hinzu, »aber wahrscheinlich sind die Abzüge genauso grausam wie
die von nebenan.«
»Bestimmt«, murmele ich und gehe mit ihm und großem Bedauern an dem
Schild Express Foto vorbei.
»Hier willst du nicht stehen bleiben«, tadelt er, als wir im Gang
der Konserven ankommen.
»Doch«, antworte ich, »als die Katja vom Laden in Halzech möchte ich
der Mutter meines Verlobten Jupp etwas mitbringen.«
Hein freut sich, dass ich meinen Humor wiedergefunden habe. »Musst
aber nichts von hier mitholen. Jupp hat schon eine halbe Obstkonservenfabrik
aufgekauft, aus der du dich bedienen kannst.«
Eine Eingebung lässt mich zu einer Dose Ravioli
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