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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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greifen.
    »Wie ekelig!«, bemerkt Hein, »erinnert mich an meine ganz frühe
Kindheit. Wenn meine Mutter keine Zeit zum Kochen hatte.«
    »Eben«, gebe ich zurück. Geruch, Geschmack und Konsistenz des
Inhalts sollen bei der alten Dame noch weiter zurückliegende Erinnerungen
wachrufen.
    » Ich bin so wie du-hu … «, Hein zieht sein
Handy hervor, flucht über den schlechten Empfang und sprintet zum Ausgang. »Bin
gleich wieder da!«
    Ich bewege mich auch schneller, als mir sonst lieb ist, und renne
zum Express Service. Dort bedauert man, Filme dieses Formats leider nicht
entwickeln zu können. Schon gar nicht Express. Ich schaffe es gerade
rechtzeitig vor Hein zum Einkaufswagen zurückzukehren.
    Hein kommentiert verwundert die hektischen roten Flecken auf meinen
Wangen und bestellt mir schöne Grüße von Jupp.
    »Könntest du ihm einen großen Gefallen tun?«, fragt er.
    »Kommt drauf an«, erwidere ich vorsichtig. Mich mit Jupp in einem
einsamen Waldstück am Rande der Wolfsschlucht oder bei der Air Station am
Schwarzen Mann treffen? Bestimmt nicht!
    Erstaunlicherweise deckt sich Jupps Wunsch vorzüglich mit meinen
eigenen Plänen.
    »Ich fahre gleich hin«, antworte ich auf Heins Frage, ob ich in
einer Stunde den Abend-Pflegedienst für Mutter Agnes ins Haus lassen könne.
Hein reicht mir einen Schlüssel.
    »Besser dein Auto steht vor der Tür als meins.«
    »Und warum ist Jupp nicht zu Hause?«, frage ich in bemüht
gleichmütigem Ton. Ich würde nicht nur versuchen, der Mutter Geheimnisse aus
früherer Zeit zu entlocken, sondern mich im Haus auf die Suche nach einem
Faustkeil begeben. Wahrscheinlich hat er ihn unter der Matratze von Mutter
Agnes versteckt.
    »Weil er gleich nach der Arbeit zu uns zum Melken kommt«, erwidert
Hein. »Meine Mutter schafft das nicht mit ihrer Migräne.«
    »Und du?«, frage ich beziehungsreich.
    »Ich würde lieber alle Kühe schlachten lassen als auch nur einmal zu
melken.«
    Schlachten lassen . Klar, Hein hat für
alles seine Leute.
    Das Leuchten, das beim Anblick von Katja aus Halzech in
die Augen von Jupps Mutter Agnes tritt, verstärkt sich, als sie die Dose mit
Ravioli wahrnimmt.
    »Das«, sagt sie und deutet mit zittrigem Finger auf das Etikett,
»genau das! Hat mir gefehlt. Lange Zeit.«
    »Aus unserem Laden«, sage ich beziehungsreich. »Ich werde sie gleich
aufwärmen.«
    »Gutes Kind.«
    Während die Dose im Wasserbad aufs Blubbern wartet, sehe ich mich in
der makellos aufgeräumten und vorzüglich ausgestatteten Küche nach einem
möglichen Faustkeil um. Ich verzweifele ziemlich schnell: Neben der Nudelrolle
aus Edelstahl gibt es hier jede Menge spitz zulaufender gefährlich aussehender
Gegenstände, die böse Wunden verursachen können. Ein Blick in das voll
gestellte Wohnzimmer mit den Spitzendeckchen und Trockenblumen entlarvt das
Mörderische einer bürgerlich-rustikalen Einrichtung. Ich erschauere angesichts
der scharfeckigen Kopfbedeckung einer Heiligenfigur aus Bronze, eines grotesk
schweren Flaschenöffners aus Messing, einer lang gestreckten dickwandigen
Pyramidenflasche mit blauem Likör, einer Marmor-Spitzmaus, eines eisernen
Tannenzapfens und einer bunt bemalten birnenförmigen russischen Puppe aus
Stein.
    Bei so vielen potenziellen Tatwaffen im Wohnzimmer braucht Jupp
weder nach einem antiken Faustkeil zu graben, noch ein entsprechend geformtes
Objekt von seiner Baustelle zu klauen.
    Mir stehen nicht die Mittel des polizeilichen Spurendienstes zur
Verfügung. Ich werde mich lieber auf das oder in
diesem Fall die Naheliegende konzentrieren, um Licht
ins Dunkel einer Vergangenheit zu bringen, die vermutlich diese tödliche
Gegenwart verschuldet hat.
    Lass sie bitte nicht einschlafen, bete ich, als ich mit dem Teller
Ravioli die steile Stiege emporklimme. Tatsächlich ist Mutter Agnes hellwach
und voller Vorfreude auf ein Mahl aus einer nicht sonderlich guten alten Zeit.
    Ich vermeine nur Knochen zu spüren, als ich ihr beim Aufsitzen
helfe. Erstmals nimmt sie mich ganz in Augenschein und stellt befriedigt fest:
»Dem Laden geht es also wieder gut.«
    Ich bin rund, Geschäft ist gesund. Da kommt Sehnsucht auf, nach
früheren Zeiten, als Dicksein nicht für Dummheit und Schwäche stand, sondern
für Wohlstand und Behaglichkeit. Zeiten, in denen ich leider nie zu Hause war.
    Während sie den Löffel zum Mund führt, taste ich mich langsam vor:
»Das Problem ist aber leider noch nicht gelöst.«
    »Problem?«
    »Mit dem Alf. Dem Adolf Mertes.«
    »Schmeckt

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