Einkehr zum toedlichen Frieden
gefallen.
Das hat er gemerkt und verwertet. Um in meinem Haus etwas zu suchen.
In der ersten Nacht hat er mich deshalb unter den Tisch getrunken – nachdem er
Gerds Flasche Islay Whisky daraufgestellt hat; in der zweiten hat er meine
Schwäche ausgenutzt, um sich weiter umzusehen. Jetzt begreife ich, weshalb auch
er sich von Gudrun zum Putzen hat einteilen lassen! Und nachdem er in mein Haus
eingebrochen war und das Gesuchte immer noch nicht gefunden hatte, schickte er
mich zum Schlafen zu Gudrun. Damit er in aller Ruhe weitersuchen konnte. Meine
Übernachtung in der Sicherheitszelle betrachte ich jetzt im gleichen Licht. Als
ich eingeschlafen war, ist er wieder auf die Kehr gefahren. Alles passt. Er
konnte ja nicht wissen, dass ich das vermutlich Gesuchte in meiner Handtasche
verwahrte.
Das ich ihm jetzt freiwillig und guten Glaubens ausgeliefert habe.
Dreist, mir auch noch mitzuteilen, den Film einem Freund zum Entwickeln zu
geben! Er wird ihn einfach verschwinden lassen und überhaupt nicht wissen,
wovon ich rede, wenn ich darauf zurückkomme. Gut möglich, dass mein blindes
Vertrauen in die Staatsgewalt jetzt die Aufklärung der drei Morde verhindert.
Vor dem Kreisverkehr in Manderfeld bringt mich der Wegweiser mit der
Aufschrift Prüm auf einen Gedanken. Mein Glauben in die belgische
Polizei, die mit Marcel Langer als SOKO-Mitglied den Bock zum Gärtner gemacht hat, ist erschüttert.
Jetzt ruht meine Hoffnung auf Polizeihauptkommissar Junk. Ich brettere durch
Krewinkel und lenke meinen Wagen auf der Kehr rechts ab Richtung Prüm.
Auf dem Parkplatz hinter der Polizeiinspektion fange ich Junk gerade
noch ab und entschuldige mich, nach Dienstschluss noch mit einem dringlichen
Anliegen zu kommen.
»Ich habe Zeit«, versichert er freundlich, »will heute nur noch das
Schwein zum Räuchern fertig machen.«
Das würde ich am liebsten auch, denke ich, und lasse mir von ihm auf
dem Weg in sein Büro nach oben erklären, wie der Schinken erst lange in Salz
gelegt werden muss, bis sich das Wasser abgesetzt hat und er dann, fein mit
Sellerie bestreut, weiter verarbeitet werden kann.
Ich sehe Marcel Langer vor meinem geistigen Auge zwar in der
Räucherkammer hängen, traue mich aber noch nicht, dem deutschen Polizeibeamten
meinen Verdacht mitzuteilen. Dazu brauche ich richtige Beweise, keine
Mutmaßungen.
So einfach wie ich es mir vorgestellt habe, ist an den
Grundbuch-Eintrag nicht zu gelangen. Am Computer ist nicht zu ermitteln, ob der
Laden meiner Großeltern Anfang der Sechziger über Nacht den Besitzer gewechselt
hat. Und das Amtsgericht, wo das Grundbuch geführt wird, ist um diese Zeit
schon geschlossen.
»Recherchieren Sie vor Ort«, empfiehlt mir der
Polizeihauptkommissar. »Ich habe in meinem Dorf eine rüstige
siebenundachtzigjährige Frau, die mir in solchen Fällen als Informantin dient.«
Jupps Mutter ist zwar alles andere als rüstig, aber die Ravioli
haben ihr immerhin eine interessante Information entlockt. Darauf aufbauend
sollte ich mir andere ältere Hallschlager vorknöpfen. Oder Kehrer.
Am besten fange ich gleich mit Fine an.
Wieder auf der Kehr
Die Haustür bei meinen Nachbarn in Nordrhein-Westfalen
steht offen. Laute Stimmen dringen durch die geschlossene Küchentür.
Ich gehe einfach in die Diele, bleibe neben der Kommode mit der
alten Agfa Clack stehen und lege mein Ohr an die Tür. Gudrun und Fine schreien
sich auf Platt an. Die Sprache will sich mir nicht so recht erschließen, nur
dass es um Alf geht, scheint klar zu sein.
Plötzlich wird Gudruns ansonsten so wohlklingende Stimme schrill:
»Denge Maan hat mich emmer ajebaggert. Et wor net mer zum Ushale!«
Der alte Alf hat seine Melkerin angebaggert, übersetze ich mir. Und
das hat Gudrun nicht mehr ausgehalten. Mir fällt wieder ein, wie überrascht
sich Langer über die tröstende Umarmung Alfs nach dem Tod von Gudruns Vater
geäußert hatte: »In der Eifel sind wir nicht so körperlich.«
Ajebaggert. Klingt durchaus körperlich.
Schau an, noch eine Baustelle.
Tag 7, Donnerstag, frühmorgens
Der Wecker reißt mich aus dem Schlaf. Zuerst glaube ich
noch, mich auf irgendeinen wichtigen beruflichen Termin vorbereiten zu müssen.
Was für eine Modestrecke ist geplant? Welcher Designer stellt seine neue
Kollektion vor, und wie heißt das superdünne Teenager-Model, dem meine
Zeitschrift ein Forum für seine Ansichten zum Sinn des Lebens und der aktuellen
politischen Lage bieten möchte?
Ich sinke wieder ins Kissen zurück. Die
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