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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Zeit der Hochglanzfotos und
des Tiefdruckklatschs ist vorbei. Ich bin arbeitslos. Wie Millionen anderer
Deutsche auch. Nur hätte ich natürlich nie gedacht, dass es ausgerechnet mich
treffen könnte. Eine Frau, die sich jahrzehntelang in der Welt der Schönen und
Reichen bewegt hat. Nicht etwa, als gehöre sie dazu, sondern als verkörpere sie
den weitaus höher angesiedelten Intellekt, der nachsichtig den modischen
Saisonbetrieb kommentiert. Nachsichtig natürlich wegen der Anzeigenkunden.
    Es war einmal: Eine übergewichtige Moderedakteurin, die dennoch von
den Göttern der glitzernden Zunft hofiert wird. Damit sie das Unternehmen in
ihrem Artikel mehr als einmal erwähnt und den Namen des neuen Sterns am
Modehimmel auch ja richtig schreibt. Haidi mit ai, Sylke mit y, Sara ohne und
Hannah mit h.
    Gott sei Dank liegt das hinter mir.
    Wie auch das morgendliche Ritual des Schminkens und des sich in
unbequeme Kleidung Einzwängens. Adieu, Travestie eines fremdbestimmten Alltags!
In dem ich mich dem Was-sollen-die-Nachbarn-denken auf vermeintlich höherem Niveau genauso ausgeliefert habe wie Hein, der sein
Auto in Jupps Scheune versteckt.
    Jupp, Hein, Fine – jetzt weiß ich wieder, warum ich mir den Wecker
so früh gestellt habe. In Berlin fahren jetzt die ersten U-Bahnen. Und in der Eifel
werden die ersten Kühe gemolken.
    Als ich mir eine Mangoscheibe auf mein Schinkenbrötchen lege und das
Ganze mit einer leuchtend roten Kapuzinerkressenblüte kröne, kann ich kaum
glauben, dass ich Fine gestern Abend tatsächlich angeboten habe, ihr im
Morgengrauen beim Melken zu helfen. Warum nur habe ich meinen Einstand in den
Melkstand nicht auf den Nachmittag verlegt?
    Weil es sich so ergeben hat.
    Und weil ich gestern Abend, als mich keine Müdigkeit plagte,
vergeblich versucht habe, aus Fine Informationen herauszukitzeln. Da erschien
es mir vielversprechend, am nächsten Morgen gleichzeitig den Kühen Milch und
der Melkerin Auskünfte zu entziehen.
    Was gestern geschah
    Der Streit der beiden Frauen nach meiner Rückkehr aus Prüm
kam mir sehr gelegen. Als wäre ich gerade erst ins Haus marschiert, klopfte ich
laut rufend an die Küchentür. Fine öffnete mir mit rotem Gesicht und zerrauftem
Haar. So aufgelöst hatte ich sie noch nie erlebt, aber ich tat, als entginge
mir die Spannung zwischen den Nachbarinnen. Gudrun betrachtete mich
misstrauisch von der Seite, als ich mich auf einem Küchenstuhl niederließ. Mir
graute vor dem Gespräch, das ich mit ihr noch zu führen hatte, und ich war
heilfroh, als sie aufstand.
    »Ich kann morgen früh nicht zum Melken kommen«, warf sie Fine ins
Gesicht. Es klang wie eine Kündigung, und das war es wohl auch.
    »Kind«, flehte Fine sie an. »Bitte lass mich nicht im Stich! Jupp
muss seine Mutter morgen ins Krankenhaus bringen und kann auch nicht. Was soll
ich denn tun? Die armen Tiere können doch nichts dafür …« Sie warf mir einen
Seitenblick zu und brach ab.
    »Das«, sagte Gudrun würdevoll, strich sich die Haare aus dem Gesicht
und öffnete die Küchentür, »ist ganz allein dein Problem.«
    Und damit war sie weg.
    Die Haustür knallte ins Schloss.
    Stumm saß Fine auf dem Rand ihres Stuhls. Sie sah aus, als würde sie
gleich in Tränen ausbrechen. Mit einer Hand berührte sie fahrig ihre Schläfe.
    »Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte ich unsicher.
    Sie lachte bitter.
    »Wie denn? Beim Melken?«
    »Warum nicht? So schwer kann das doch nicht sein.«
    »Deine Mutter hat das nie gemacht.«
    »Brauchte sie wohl auch nicht. Die Eltern hatten ja ein Geschäft.
Was ist eigentlich aus dem geworden?«
    »Hat dein Großvater verloren.«
    »Wie denn?«
    »Schlecht jewirtschaftet.«
    »Einfach so?«
    »Kommt vor.«
    »Wer hat es denn übernommen?«
    »Ein Fremder von außerhalb.«
    »Wer?«
    »Warum willst du das wissen?«
    »Ich weiß so wenig von meiner Familie.«
    »Manches bleibt besser verborgen«, sagte sie abweisend.
    »Vor allem, wenn es ums Tuppen geht, nicht wahr?«, wagte ich einen
Vorstoß und sah Fine gespannt an.
    Sie antwortete nicht, sondern stand auf, drehte mir den Rücken zu
und machte sich an der Spüle zu schaffen.
    »Wie man hört, hat hier schon so mancher beim Tuppen Haus und Hof verzockt«,
fuhr ich unbekümmert fort.
    »Na so was«, sagte sie mechanisch und setzte mit metallener Stimme
hinzu: »Woher willst du das denn wissen?«
    »Ich bin Journalistin und habe eben einiges diesbezüglich in
Erfahrung gebracht«, bluffte ich weiter. »Und das hängt auch

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