Einkehr zum toedlichen Frieden
mit Alf zusammen.
Und natürlich mit dem Tuppen.« Ich setzte noch einen drauf: »Es gibt sogar
einen unzweideutigen Beleg. Damit ist alles klar.«
Da ich überzeugt war, diesen Beleg am nächsten Tag beim Blick ins
Grundbuch aufzustöbern, hielt ich das nicht einmal für einen Bluff.
Ihr Gesicht war blass, als sie sich wieder umwandte. Ihre Hände
umklammerten den Rand der Anrichte so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten.
»Der Alf ist tot«, sagte sie stumpf und begann zu weinen. Als sie
sich erneut mit einer Hand an die Schläfe fuhr, fürchtete ich, sie würde
umkippen. Ich sprang auf, stützte sie, führte sie an den Küchentisch zurück und
half ihr auf den Stuhl.
Im Geiste schlug ich mir vor den Kopf. Was war nur in mich gefahren!
Unverzeihlich, einer gerade erst verwitweten Frau indirekt vorzuhalten, ihr
Mann habe vor über vierzig Jahren meine Großeltern durch ein gewonnenes
Kartenspiel um ihr Hab und Gut gebracht! Meine Unsensibilität grenzte an
Leichenfledderei. Um an meine Informationen zu kommen, musste ich wesentlich
behutsamer vorgehen. Und zur Abwechslung mal Rücksicht auf die Gefühle anderer
nehmen.
»Ich habe deine Großmutter bis zu ihrem Tod jepflegt«, schluchzte
Fine. »Wo war da deine Mutter, meine beste Freundin, dat sich einfach so vom
Acker gemacht hat? Und wo warst du?«
»Noch gar nicht da«, erwiderte ich betroffen. Ich riss ein Blatt von
der Küchenrolle ab und reichte es ihr. Sie schnäuzte kräftig hinein und blickte
mit rot verweinten Augen auf.
»Du weißt überhaupt nichts«, schniefte sie zurück. »Du kommst
hierher, setzt dich ins gemachte Nest und schnüffelst in Dingen herum, die dich
gar nichts anjehen. Und dann beschmutzt du auch noch dem Alf sein Andenken.«
Was Gudrun vor einigen Minuten offensichtlich auch getan hatte. War
es wirklich nötig gewesen, Fine jetzt damit zu kommen, dass Alf sie ajebaggert hatte? Nicht nur mir mangelte es offensichtlich
an Feingefühl.
»Entschuldigung. Wir sind wohl alle etwas durcheinander«, sagte ich
leise und wechselte rasch das Thema: »Ich würde wirklich gern melken lernen.«
»Du kannst gleich morgen früh anfangen.« Ihre Stimme klang schon
wieder fester. Sie forderte mich auf, pünktlich um fünf am Melkstand zu sein.
»Um fünf?«, fragte ich erschrocken. »Ich dachte, ihr fangt erst um
sechs an.«
»Für dir zu zeigen, wie es geht, brauche ich eine Stunde«, sagte
sie. »Sei froh, dat wir die Küh nicht von der Weide reintreiben brauchen.«
Gudrun habe sie trotz des guten Wetters nämlich am Nachmittag im Stall
gelassen.
»Was soll ich dazu anziehen?«, fragte ich.
»Du kriegst eine Jummischürze«, erwiderte Fine »und die Jummistiefel
von meinem Alf. Ojottojottojott, was soll ich jetzt nur tun? Mit all die
Arbeit! Ohne den Alf! Na so was!«
»Du hast ja noch Hein«, versuchte ich sie zu trösten und dachte an
Heins Traum, den Hof zu verkaufen und mit seiner Mutter zu Jupp zu ziehen. »Der
wird schon eine vernünftige Lösung wissen, wenn ihr erst den Hof mit all der
Arbeit los seid.«
Wieder hatte ich wohl die falschen Worte gefunden. Fine heulte laut
auf und richtete einen anklagenden Zeigefinger auf mich: »Du willst uns
vertreiben! Mich heimatlos machen! Jenau wie dein Bruder! Und das, wo ich deine
Großmutter selig bis zu ihrem Tod jepflegt habe!«
»Wo ist Hein überhaupt?«, fragte ich ruhig. Ich musste verschwinden,
wollte aber die völlig hysterische Frau nicht sich selbst überlassen.
»Da, wo er immer ist, wenn er in die Eifel kommt und mich nicht
besucht«, jaulte Fine. »Muss ich dir doch nicht sagen, warst doch selbst schon
da!«
»Du weißt …«
»Natürlich weiß ich!«, fuhr mich Fine an. »Was denkst du eigentlich?
Dass ich blind, taub und dumm bin? Na so was. Darüber reden, das ist dumm! Das
tue ich nicht! Und dir verbiete ich es auch!«
Ich verstand. Eine Tatsache wird nur als solche anerkannt, wenn sie
in Worte gefasst wird. Solange das nicht geschieht, bleibt die Welt, wie der
Betrachter sie sehen will, und es braucht sich gar nichts zu ändern.
»Kann ich dich denn hier allein lassen?«, wechselte ich gehorsam das
Thema.
»Du bist die Letzte, die mir jetzt helfen kann«, sagte sie, und das
verstand ich nur zu gern als einen Rausschmiss.
In der Hoffnung, dass sich Fine über Nacht beruhigt hat,
mache ich mich jetzt auf den Weg zum Melkstand. Ich begrüße mein Kälbchen, das
schlafend vor seiner Hütte liegt, aber vom Klang meiner Stimme geweckt wird. Es
erhebt sich,
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