Einkehr zum toedlichen Frieden
es klingeln und freue
mich, dass ich überhaupt wieder klar gucken kann, ganz gleich ob on the Bright Side of Life oder on the
Dark Side of the Moon .
»Wieder okay?«, fragt mich Hein nach einer kleinen Ewigkeit
herrlichen Berieselns.
»Was war das denn?«, frage ich, als er den Schlauch wieder loslässt.
»Eine alkalische Lauge. Mit der wir den Melkstand säubern. Sei froh,
dass es nicht das Desinfektionsmittel war.«
»Ich jubele. Aber wie ist das passiert?«
Er zuckt mit den Schultern und blickt nach oben, wo das Brett wieder
fein säuberlich in seinem Bett ruht.
»Ein Unfall. Vielleicht stand da oben ein Eimer mit dem Zeug rum.
Den eine Stallkatze umgeworfen hat.«
Es klingt alles andere als glaubhaft, aber ich sage nichts.
Schließlich hat mir Hein gerade das Augenlicht gerettet. Was er wohl kaum getan
hätte, wenn er an meinem Ableben interessiert gewesen wäre.
»Was machst du überhaupt hier?«, fragt Hein und sieht mich
misstrauisch an.
»Deine Mutter hat mich zum Melken herbestellt«, erwidere ich. »Weil
Gudrun gekündigt hat.«
»Du und melken?« Er schüttelt ungläubig den Kopf.
»Ich wollte nur helfen.«
»Das kannst du am besten, wenn du jetzt Gudrun aus dem Bett schmeißt
und rüberschickst. Sag ihr, dass ich mit ihr melke.«
»Du und melken?«
»Man sollte alle vorhandenen Fähigkeiten wenigstens gelegentlich
überprüfen.«
»Und was ist da eben passiert? Ich meine, ich bin doch angegriffen
worden!«
»Übertreib nicht. Das war ein Unfall.«
»Das war kein Unfall!«
Ein Brett wurde verschoben und eine viel größere Ladung Lauge auf
mich geschüttet, als eine Eifeler Wildkatze aus einem Eimer herausgekriegt
hätte. Geschweige denn eine Stallkatze. Und von dem Stoß mit dem Schrubberstiel
schmerzt meine Brust immer noch.
»Was hattest du da eben in der Hand?«, frage ich misstrauisch.
»In der Hand? Den Schlauch da«, antwortet er und deutet auf die von
der Decke baumelnde Brause.
»Und davor?«
»Nichts. Wieso?«
Spinne ich? Aber ich habe ganz sicher etwas in seiner Hand gesehen.
Das wie ein Eiszapfen aussah.
Andererseits: Wo soll im ausklingenden Eifeler Sommer ein Eiszapfen
herkommen? Wahrscheinlich habe ich im Schock doch halluziniert. Der Faustkeil
beschäftigt mich eben, und dann haben mir meine brennenden Augen einen
Eiszapfen vorgespiegelt. Richtig glauben kann ich es aber nicht.
Mit weichen Knien erklimme ich die paar Stufen der Metallleiter und
atme erleichtert den würzigen Landduft ein, als ich aus dem Stall komme. Ich
mache mich auf den Weg zu Gudrun.
Am liebsten würde ich mich sofort wieder ins Bett legen. Mit einer
kühlenden Kompresse auf den Augen.
Aber die Kühe interessiert nicht, dass ich soeben einem Mordanschlag
entgangen bin; sie müssen gemolken werden.
Unterwegs ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und höre die
Mailbox ab.
»Tut mir leid, dass ich Sie so früh störe,
Frau Klein, aber offensichtlich schlafen Sie eh noch. Sieht ganz so aus, als ob
Sie recht hatten«, höre ich Marcel Langers Stimme. »Die Fotos sind tatsächlich
hochinteressant. Nicht die von den vier niedlichen Kälbchen, aber die anderen.
Wahrscheinlich können wir damit den Täter überführen. Oder zumindest eine sehr
interessante Spur verfolgen. Es gibt da nur ein kleines Problem …«
Ich höre mir seine Sorge an und beschließe, ihn ein wenig schmoren
zu lassen. Weil ja erst die Kühe versorgt werden müssen. Und weil ich ihm ohne
Computer jetzt sowieso nicht helfen kann. Gerds hat die Spurensicherung
mitgenommen. Und meinen Laptop habe ich in Berlin zurückgelassen.
Hein ist Eventmanager. Solche Leute nutzen nicht nur einen Laptop,
sondern einen Schlepp-Top, den sie überall hin mitnehmen. Oder mitholen, wie
man in der Eifel sagt. Und wenn der belgische Staat seine Polizeibeamten
elektronisch so miserabel ausstattet – Polizeihauptkommissar Junk in Prüm ist
da besser bedient –, dann muss er eben warten, bis die Kühe gemolken sind, ehe
wir Gerds hochauflösenden Scanner an Heins Laptop anschließen und genau
erkennen können, was auf dem mit einer alten Agfa Clack abfotografierten
Schriftstück zu lesen ist, das Langer auf einem Foto gesehen hat.
Gudrun ziert sich keinen Augenblick, als sie hört, dass
Hein im Melkstand auf sie wartet. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, als ich
ihr berichte, dass ich eigentlich für sie einspringen wollte. Sie gackert den
ganzen Weg bis zum Stall.
»Ich stelle es mir nur vor«, sagt sie und wischt sich die
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