Einklang der Herzen
sie jemals mit einem Jungen hatte verwechseln können. »Ihrem Akzent nach zu urteilen handelt es sich bei Ihnen vermutlich um Paddys Nichte – die kleine Dee.«
»Ich bin Adelia Cunnane und nicht Ihre kleine Dee.« Sie musterte ihn mit unverhohlener Abneigung. »Und nicht ich spreche mit Akzent, sondern Sie!«
Er legte den Kopf in den Nacken und brach in lautes Gelächter aus, was Adelias Wut nur noch mehr anstachelte. »Ich freue mich sehr, zu Ihrer guten Laune beizutragen.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre roten Locken flogen. »Und wer in aller Welt sind Sie?«
»Ich heiße Travis«, antwortete er noch immer lachend. »Travis Grant.«
2. K APITEL
Adelia starrte ihr Gegenüber an, während ihre Wut langsam verrauchte. Travis Grant war groß und kräftig. Die aufgerollten Ärmel seines Hemdes enthüllten muskulöse Unterarme. Seine Gesichtszüge waren wie gemeißelt, klar und scharf. Die blauen Augen bildeten einen überraschenden Kontrast zu seiner gebräunten Haut, volle schwarze Locken fielen ihm bis auf den Kragen. Er grinste noch immer.
Das war also der Mann, für den sie arbeiten sollte. Das war der Mann, bei dem sie einen guten Eindruck hinterlassen musste. Doch stattdessen hatte sie ihn lauthals beschimpft. »Himmel!«, wisperte sie, schloss einen Moment die Augen und wünschte, im Erdboden versinken zu können.
»Es tut mir leid, dass wir uns unter so … ähm …« Er zögerte. »… unter so verwirrenden Umständen kennengelernt haben, Adelia. Paddy ist ganz aus dem Häuschen, seit er weiß, dass Sie kommen.«
»Ich habe nicht damit gerechnet, Sie vor morgen früh zu treffen, Mr. Grant.« Sie klammerte sich verzweifelt an ihren letzten Rest von Stolz. »Onkel Paddy sagte, Sie wären noch nicht zurück.«
»Und ich habe nicht erwartet, einer kleinen Fee über den Weg zu laufen, die in meine Ställe einfällt.« Travis grinste erneut.
Adelia richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und warf ihm einen hochmütigen Blick zu. »Ich konnte nicht schlafen, also wollte ich ein wenig spazieren gehen. Und mal nach Majesty sehen.«
»Majesty ist ein äußerst nervöses Pferd.« Er musterte sie von Kopf bis Fuß. »Sie sollten lieber Abstand von ihm halten.«
»Und wie soll ich das tun?«, fragte sie streng. »Schließlich werde ich ihn künftig regelmäßig trainieren.«
»Einen Teufel werden Sie tun!« Er kniff die Augen zusammen. »Wenn Sie glauben, dass ich so ein winziges Persönchen wie Sie auf dieses erstklassige Pferd loslasse, dann müssen Sie den Verstand verloren haben.«
»Ich wurde bereits auf Ihr erstklassiges Pferd losgelassen.« Langsam wurde sie wieder zornig. »Ich bin mit ihm in einer ganz passablen Zeit eine Runde geritten.«
»Das glaube ich nicht.« Er trat einen Schritt auf sie zu, woraufhin sie den Kopf noch weiter in den Nacken legen musste. »Paddy würde Sie niemals auf Majesty steigen lassen.«
»Es ist nicht meine Art, zu lügen, Mr. Grant«, gab Adelia feierlich zurück. »Majesty hat nach Tom getreten, deswegen bin ich für ihn eingesprungen.«
»Sie haben Majesty geritten?«, wiederholte Travis leise.
»Allerdings.« Als sie sah, wie seine blauen Augen zu funkeln begannen, fuhr sie hastig fort. »Er ist eine Schönheit. Schnell wie der Wind, aber nicht launisch. Niemals hätte er nach Tom getreten, wenn der Junge ihn besser verstehen würde.« Sie sprach sehr schnell, damit Travis sie nicht unterbrechen konnte. »Er braucht nur jemanden, der mit ihm spricht. Jemanden, der ihm seine Liebe und Anerkennung zeigt.«
»Und Sie können also mit Pferden sprechen?« Travis verzog die Lippen.
»Ja«, stimmte sie zu, ohne auf das spöttische Glitzern in seinen Augen zu achten. »Das kann doch jeder, der es will. Ich kenne mich mit Tieren aus, Mr. Grant. In Skibbereen habe ich mit einem Tierarzt zusammengearbeitet und eine Menge über Tiermedizin gelernt. Ich würde nie etwas tun, das Majesty oder einem Ihrer anderen Pferde schaden könnte. Onkel Paddy vertraut mir. Das dürfen Sie ihm nicht übel nehmen.«
Darauf entgegnete Travis nichts, musterte sie nur prüfend. Als das Schweigen sich ausdehnte, wurde sie unruhig. Eine leise Furcht stieg in ihr auf und noch etwas, ein unbekanntes Gefühl, das sie sich nicht erklären konnte.
»Mr. Grant.« Sie schluckte ihren Stolz herunter und legte einen flehenden Ton in ihre Stimme. »Bitte, geben Sie mir eine Chance! Zwei Wochen, mehr nicht.« Sie holte tief Luft und benetzte
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