Einmal auf der Welt. Und dann so
daran dachte, von der Kirche weg zu ihm zu wechseln). Ich wäre der ideale Reiseleiter, meinte er, und machte diesbezüglich zweideutige, in gewisser Weise gar einschlägige Bemerkungen, die ich ihm gegenüber überhörte. Als es aber so weit war und ich ihn (in meiner Not, in was sonst hätte ich ihn auch nur angerufen!) aufsuchen wollte, wimmelte er mich schon am Telefon ab. Gewiss freute er sich über meinen Anruf, meine Frage, mein Wohlergehen, aber die Reisebranche sei nicht das Richtige für mich: eigentlich schon, und immer das Richtige gewesen, nur jetzt nicht: Ich sei nun zu alt. Ich wandte ein, ich sei drei Jahre jünger als er, gerade so alt, wie man am Ende eines regulären Theologiestudiums mit Promotion alt sei. Dieses Studium sei ja für seine Art Reiseleitung Voraussetzung, es gehe doch um wissenschaftliche Reisen.
Es ging ja ins Heilige Land (zu 45 % hatte dieser Freund das Heiliglandgeschäft in seiner Hand), und ich gab zu verstehen, dass man die Wunder Jesu vor Ort etwas - wenigstens theologisch-wissenschaftlich - erklären können müsse, können müssen sollte ...
Ich kam ins Stottern, und doch: Das Argument kam an. Er sah ein, dass er seinen Unwillen falsch begründet hatte, mit meinem Alter konnte er mir nicht kommen, in diesem Zusammenhang wenigstens. Jetzt aber deutete er an, er habe bei unserem letzten Zusammentreffen bemerkt, dass ich etwas dick geworden sei, was denn mein aktuelles Lebendgewicht sei, wollte er wissen. Das Reisen sei anstrengend, zumal, wenn es in die Wüste gehe. Das weiß ich alles, lieber ... (Freund brachte ich doch nicht über meine Lippen).
Nun schwenkte er nochmals auf ein anderes Gebiet, ließ vorher noch eine kleine Entschuldigung fallen: Das mit dem Gewicht sei ein Scherz gewesen. Mit einem Mal behauptete er aber, ich könne nicht frei reden und wäre schon damals vor laufender Kamera zu oft errötet.
Es half nichts. Er wollte mich nicht. Ich konnte hundertmal entkräften, behaupten, ich würde nun schon lange nicht mehr rot werden, und meine Sprechangst hätte ich durch einen zusätzlichen Dale-Carnegie-Kurs (Sorge dich nicht, lebe!) im Kolpinghaus vor Ort (für tausend Mark) abgelegt. Ich hörte durchs Telefon, wie er mir nicht zuhörte.
Mein Freund war nun an jener Stelle des Gesprächs angekommen, an der eine leitende Persönlichkeit kurz und bestimmt wird. In frechstem Hochdeutsch gab er mir zu verstehen, dass es nie und nimmer möglich sei, dass eine Person wie ich für ihn in Frage komme. Er sagte mir durch die Blume (allerdings durch die Härte der Intonation hingeknallt), ein Mensch, der nicht einmal richtig Deutsch könne, so ein Deutscher komme für ihn nicht in Frage, sagte er zu mir mit seinem hochdeutschen Akzent.
Er könne es schlicht (sagte er) nicht verantworten, kam er zum Ende des Gesprächs, dass jemand wie ich vor dem leeren Grab in Jerusalem stehe und seinen deutschen Kunden (alles Akademiker!, warf er ein) mit seinem schweren, ja groben süddeutschen Akzent alles zu erklären versuche ... Auch wenn ich vieles wüsste, wie er wüsste, meine Intelligenz und mein unbestrittenes Wissen, und auch mein Aussehen, würden mir vor Ort über meinen groben, fast schweizerischen Akzent nicht hinweghelfen. (Nun wusste ich wieder einmal, warum die Schweizer die Deutschen nicht mögen. Ich mochte die Deutschen aus denselben Gründen ja auch nicht...)
Am Ende gälte ich dann noch als Schweizer; und das ginge bei seinem Unternehmen sowieso nicht. Anfragen, warum er in dieser schwierigen Zeit einen Schweizer Reiseführer eingestellt hätte, wären schlicht (sagte er) geschäftsschädigend, wenn nicht mehr.
Dann wurde er plötzlich wieder vertraulich und aufmunternd, nahm das Telefon ganz nah zu sich, wurde leise und langsam, wie ein Chef, der, ohne es gelernt zu haben, über das große Einmaleins der psychologischen Kriegsführung verfügt und dabei doch durchschaut wird. In aller Freundschaft: Ich solle es doch anderswo versuchen. Es gebe für einen mit solchen Fähigkeiten genügend Möglichkeiten, wo, sagte er mir nicht. Er verstehe nicht, warum ich ausgerechnet mit meinem Akzent und außerdem: mit meinem Sprachfehler, der in der Welt ja heutzutage gar keine Rolle mehr spiele, wohl aber draußen, vor dem leeren Grab. (Jetzt kam er mir auch noch mit einem Sprachfehler.) Er verstehe nicht, warum ich ausgerechnet, wo ich doch gelegentlich, vor allem, wenn ich aufgeregt sei, und vor einer Gruppe deutscher Akademiker stehend, würde ich unausweichlich
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