Einmal auf der Welt. Und dann so
von Kloster Zoffingen, und bald dazwischen immer wieder auf meinem Schoß auf einer Parkbank in der Oberen Laube, lachend und spielend eines Nachts im Gegenmondlicht nach oben schauend auf diesen Kopf verteilt ausmachte?
Das war meine Fahrt nach Rom.
Wie ich nach Rom gekommen bin, so ging ich: trostlos, im Grunde unbelehrt, ins Ungewisse. Und außerdem: nun fast schon dick und fast schon ein Trinker.
Doch was sage ich »schon«?
Fromm und ungläubig, »erfüllt von dir nur und von nichts begnügt«, so fuhr ich davon. Und hatte schon fast vergessen, was am Anfang meiner Reise nach Rom stand. Da war die Zeit vergangen, wie im Flug oder nicht wie im Flug, und ich hatte verloren, was am Anfang der Reise stand. Sagt man dafür: den Glauben? Nein, nicht den Glauben, nicht in Rom. Seit dem Tod von Caro, Gigi und Frederic habe ich den Glauben verloren.
Es war freilich nur ein Kinderglaube.
»Fortschreitende Räude« oder Mein Leben als Grabredner
Wie es also so weit kommen konnte mit mir? Von Rom aus fuhr ich nicht erst ins Himmelreich, sondern in jene Stadt zwischen Fluss und schwarzem Gebirge, zu meinem Bischof, über dessen mich ehrende, viel zu gute Empfehlung ich ja in der Ewigen Stadt gelandet war: Ich war jener, den er gerne gehabt hätte, der Mensch, der ich hätte sein sollen, und blieb hinter jedem Anspruch weit zurück, eine Enttäuschung für alle, auch für den Bischof, und vor allem für mich. Ich ging, immer noch mit Irrglauben im Kopf, ich könnte berufen sein, gerade wie einer von jenen Heiligen, die als Sünder und mehr begonnen hatten, nun mit bangem Herzen auf das Bischöfliche Ordinariat zu.
Dort sollten die Einzelheiten meiner Priesterweihe besprochen werden, wie ich glaubte; und auch wegen der großen Untersuchung war ich dorthin unterwegs, die auch bei und an mir von einem Arzt des Vertrauens, Träger höchster kirchlicher Orden wie des Sylvesterordens und von Pro Ecclesia et Pontifice, durchgeführt werden sollte. Ich hatte mir dabei nichts weiter gedacht, glaubte mich gesund.
Der Bischof war ein lieber Mann, eigentlich zu lieb, um in der Kirche etwas zu werden, und zu gescheit, und das als Jurist: ich weiß nicht, warum ihn die Kirche unbedingt haben wollte, schließlich hatte er doch gar nichts zu melden, musste immer nur weihen und unterschreiben, die Predigten, die man ihm hingelegt hatte, ablesen. Er hatte nichts gegen mich, ich weiß, hat auch nachher, nachdem man mich abgeschoben hatte, immer wieder versucht, mich mit kleinen Briefen und guten Wünschen für mein weiteres Leben aufzumuntern, ja, er segnete mich, betete für mich, aber zu melden hatte er nichts bei Gott, dem Hausjuristen. Der war schon immer gegen mich. Und erst recht, nachdem er den ärztlichen Fragebogen vor sich liegen hatte.
Auf meinem Fragebogen, der nach allen möglichen Krankheiten, zum Teil ganz versteckten, Haut- und Geschlechtskrankheiten, ansteckenden, zum Teil ganz versteckt, fragte, hatte ich angegeben, dass ich früher schon einmal umgefallen sei, in der Kirche, als Messdiener ... Mein Arzt hörte gar nicht mehr hin, er hatte ja nun sein Schema ... »Epilepsie!« - klingelte es in seinem Koordinatenkreuzchen; so wollte er gar nicht mehr wissen, was ich dazu zu sagen hatte, ich versuchte sogleich, das Ganze als Ergriffenheit vor der göttlichen Gegenwart im Messopfer, zumal als Kind, zu deuten. Schließlich ging es ja nach Selbstauskunft meiner (immer noch heiligen) Kirche beim Messopfer um alles, um das Mysterium schlechthin, kein Wunder, dass ich umkippte. Aber derlei war doch nicht gefragt in der Kirche. Über eine geregelte Ergriffenheit, eine Ergriffenheit, die Rom im Griff hatte, durfte es nicht hinausgehen. Was dachten diese Juristen von einem zukünftigen Priester; wie oft ich an einem venerischen Leiden (wie vornehm!) erkrankt, wie oft ich auskuriert worden sei, wollte man wissen. Und meine Ergriffenheit, meinen Glauben, mein Umfallen vom Mysterium des Glaubens her (das ja nur in einem Umkippen aufgrund des Sauerstoffmangels in unserem kleinen St. Michael bestand) diagnostizierte man als Epilepsie: Ich sollte meinen Mund öffnen, denn er wollte sehen, ob ich mir schon ein Stück Zunge abgebissen hätte. Ich bestritt alles, wie Petrus, kam aber im Gegensatz zu ihm für die Kirche nicht mehr in Frage. Der Jurist, nicht der Seelsorger, hatte das letzte Wort. Ich wurde entlassen. Zugegeben: Die Kirche hätte sich mit mir noch ein weiteres Problem aufgehalst.
Es half nichts, vorher noch
Weitere Kostenlose Bücher