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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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aufzuzählen, was ich alles nicht war und was auch zu einem Ausschluss geführt hätte: krank, impotent, geschlechtskrank, unfruchtbar, homosexuell, körperbehindert, körperversehrt, einbeinig, einarmig, Rollstuhlfahrer, querschnittgelähmt.
    All dies, was damals automatisch zu einem Ausschluss von den Weihen geführt hätte, war ich nicht; und doch hat man mich weggeschickt. Man wollte mich einfach nicht haben, warum weiß ich nicht, immer wieder machte ich einen schlechten Eindruck auf die Welt, Epilepsie war noch zu meiner Schonung gesagt; alles, was man zu mir sagte, war ja im Grunde ein Euphemismus. Die anderen wussten wahrscheinlich genau, was sie zu mir hätten sagen müssen, ich wollte aber nichts davon wissen.
     
    Kein Mensch, außer dem Bischof, einem der vereinzelten Menschen, die es in der Kirche nach wie vor gab, der mich auf seine Art noch etwas zu betreuen versuchte, hat sich also danach noch um mich gekümmert. Ich war ab da per sofort ganz allein auf der Welt, auf mich gestellt. Was sollte ich mit meinem lumpigen Theologiestudium in der Welt? Kein Mensch wollte etwas davon wissen, und all die Jahre unter kirchlicher Herrschaft waren umsonst. Mit diesem Gedanken verließ ich das Generalvikariat. Man schickte mir noch eine Rechnung für die Untersuchung. Man schlug eine Ratenzahlung vor.
    Das ist das Letzte, was ich von der Kirche zu meinem Fall gehört habe. Am Ende sagte der Generalvikar zu mir, einem wie mir stünden tausend Möglichkeiten frei, einem jungen Mann wie mir, aber ich wagte nicht zu fragen, welche. Unter tausend Freundlichkeiten hat er mich hinauskomplimentiert.
    Und ich besann mich auf meine Predigt- und Rhetorikkurse, auf meine Videoseminare, wo ich und meinesgleichen uns bei der freien Rede filmten. Wir sprachen ad libitum, ja, wir sollten ad libitum sprechen, irgendetwas, irgendetwas vom Himmel herunter sollten wir uns erzählen als Vorbereitung für unseren späteren Dienst auf der Kanzel. Das Wort Dienst wurde ja später in die Militär- und Verwaltungssprache übernommen, wie auch die Dienstgrade Soldat (Christi), Offizier, Generaloberst, General ... Nun gut, damals gab uns der Pater Instruktor (eine Art kirchlicher Feldwebel) kurze Stichworte, über die wir vor laufender Kamera predigen sollten. Ich erinnere mich an Themen wie: Vom Sinn der Todesstrafe, Über die Folgen des vorehelichen Geschlechtsverkehrs, Über den siebenten Himmel bei den Mohammedanern ...
    Im Zeit-Magazin hatte ich dann diesen Bildbericht über Menschen als Leichenwäscher, als Arbeiter im Krematorium, als Grabredner... gesehen. Grabredner!
    Ich hatte nun eine Idee wenigstens, wie es mit mir weitergehen konnte. Aber ich wollte mich damals noch nicht richtig anfreunden mit ihr; und so sann ich zunächst noch auf anderes.
    Ich hatte einen Freund aus Seminarzeiten, oder wenigstens einen Leidensgenossen, glaubte wenigstens, einen solchen zu haben, der zwar nicht gegangen worden war (im Tonus vulgaris der Kirche), einer Demissionierung aber nur dadurch entkommen war, dass er rechtzeitig absprang. Zu viele Mängel wären beim Fragebogen aufgetreten: 1. Er war zu klein (Mindestgröße für die Diakonatsweihe: 159 cm, für die Priesterweihe 163 cm). Ja, er war so klein, er schien mir so klein zu sein, dass er gar nicht richtig auf der Welt war, und erinnerte mich darum an meine Schwackenreuter Onkel. 2. Er war zu dick: gute 2 Zentner. Bei dieser Größe! (154 cm) Die Kirche dachte in diesem Punkt (Gewicht) ganz weltlich praktisch und wollte sich rechtzeitig spätere Krankheitsgeschichten oder auch tatsächliche, schon begonnene, vom Leibe halten und nicht für das Volumen ihrer Kandidaten aufkommen, was, in diesem Fall und nebenbei bemerkt, auch noch als ein Ensemble aus Charakterschwäche (fehlender Mut zu widersagen) und Neigung zur Sinnlichkeit (Lust auf Süßes) gedeutet werden konnte. 3. Er trug ein Toupet, war also eine komplette Witzfigur, die sich auch die Kirche am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts auf der Kanzel nicht mehr gehäuft leisten konnte.
    In Rom selbst war man in diesen Dingen nach wie vor nicht so streng wie anderswo im Bereich der nahtlos in Diözesen aufgeteilten Weltkugel.
    Toupettragen galt kirchenintern nicht als Krankheit, es war eine Irregularität, die behoben werden konnte.
    Dieser Mensch hatte es in der Reisebranche ziemlich nach oben gebracht. Bevor es ernst werden konnte, hatte er mir immer wieder Stellen angetragen, ich solle zu ihm kommen (er wusste genau, dass ich nicht im Traum

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