Einmal auf der Welt. Und dann so
verschärft worden war durch eine zweifelhafte Lebensführung unter den Nachkommen Heinrichs des Anthropophagen.
»Was ist ein Stringtanga?«, fragte mich Franz Sales bei einer unserer letzten Begegnungen. »Hast du von so etwas schon einmal gehört?« Jede Frau weiß, was ein Stringtanga ist, kokettiert da eine zukünftige Erzherzogin in der Yellow Press, die Nacktbilder brachte, die gar keine waren, weil sie eben einen Stringtanga anhatte!, behauptet sie. Und der Heilige Vater wurde jetzt in diesen Fall eingeschaltet! Denn das Heiligsprechungsverfahren für den zukünftigen Schwiegergroßvater dieser Person lief schon.
Heilige Unschuld! Wir forderten eben zu viel voneinander in Rom. Die Ansprüche waren ja schon an einen gewöhnlichen Mann oder Menschen sehr hoch. So verlangte das Kirchenrecht vom Mann ein erektionsfähiges Glied, die Ejakulation und den fruchtbaren Samen, während bei der Frau, um die Gültigkeit einer Ehe zu garantieren, »eine zur Aufnahme des männlichen Gliedes geeignete Scheide« (ich habe diese Formulierung aus dem Kirchenrecht auswendig gelernt) genügte.
Derlei gab unserem Leben Sinn, ja Gesprächsstoff.
So hatte mir Franz Sales von einem jungen Mann erzählt, der gerade von Rom abgewiesen wurde. Schon mit den niederen Weihen versehen und im Begriff, Priester zu werden, hatte der zuständige Arzt, ein Pater von der SJ, bei der vorgeschriebenen großen Schlussuntersuchung eine Phimose festgestellt, die bis heute zu den echten Weihehindernissen zählt. Die meisten Fälle zogen sich so lange hin, dass sie überwiegend auf natürliche Weise, auch einschließlich der sogenannten unechten Weihehindernisse, wie man dafür im Vatikan sagte, gelöst wurden.
»Nostra Signora Morte« (»Unser Herr Tod«, sagte man im Vatikan) stand noch über dem Heiligen Vater. - La Morte, etwa zwischen Papst und Gott vorzustellen, vom Vatikan her gedacht. Eine Phimose: ein geregelter Geschlechtsverkehr (Kirchenrechtsprache) war so nicht möglich, würde so nicht möglich gewesen sein, denn man dachte in Rom bei diesen Dingen im Konjunktiv und Futur II, ein möglicher Geschlechtsverkehr, der Bedingung der Möglichkeit der Zulassung zum Priesteramt war. Franz Sales zerbrach sich den Kopf über diesen Fall. Ein kleiner chirurgischer Eingriff hätte dem zukünftigen Priester (das heißt dem Mann, der darauf verzichten sollte, einer zu sein) helfen können. Aber diese Lösung galt als Beschneidung und war den Juden und den Heiden überlassen und durch die Taufe ersetzt. Sah man die Beschneidung nicht als Beschneidung, sondern als Eingriff in den Organismus, so stand dies wiederum als Verstoß gegen die Integrität des Leibes unter schwerster Strafandrohung im Codex Iuris. Kirchenintern gehörte die Phimose als Weihehindernis zu den subtilsten Streitfragen und war zu meinen Zeiten nicht gelöst (Vgl.: Franz Sales Obernosterer, Die Phimose als Weihehindernis, Rom 1979). Franz Sales tendierte zum Ausschluss, das heißt, er vertrat die Lehre von Salamanca, die im frühen vierzehnten Jahrhundert herausgebildet worden war.
Eine Phimose musste mich nicht schrecken, schon gar nicht, solange ich in Rom war und nicht lebte, und auch nicht ein epileptischer Anfall oder sonst eine Behinderung (etwa eine Krankheit oder eine Unfallfolge), die automatisch zum Ausschluss von der Zulassung zum Priesteramt geführt hätte. Einen Priester im Rollstuhl habe ich während meiner Jahre in der Ewigen Stadt niemals gesehen. Das war wohl gemeinsames römisch-germanisches Erbe mit seinem Hass auf alles Unvollkommene oder Kranke. Hatte sich aber einer einmal die Weihen erschwindelt (in gewisser Weise musste ich auch Franz Sales dazurechnen), sprach kein Mensch mehr von Epilepsie etc. Nun war von Ergriffensein durch das Mysterium des Messopfers, religiöser Ekstase die Rede. Vor allem, wenn es während der Messe passierte, sprach man einfach von Ergriffensein durch das Heilige. Nichts anderes hätte ich erwartet in Rom.
Am Ende meines Aufenthalts sah auch ich ein, dass ich an keinen Ort der Welt weniger passte als nach Rom.
Das wusste ich schon von Franz Sales.
Und dass ich eigentlich bisher nirgendhin so recht passte, das wusste ich von mir und weiß ich.
Trotz allem wollte ich immer noch Priester werden, und deswegen geht diese Geschichte nun an einem anderen Ort weiter.
Wenn ich nun auch noch nach allem mit meinen ersten zwei, drei grauen Haaren komme, die meine edle Freundin Donata von Allmannsdorf, damals bei den Edlen Damen
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