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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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hinaus. Wir standen da und winkten nicht. Ein Glück, dass keiner von uns wusste, dass dies das Ende war.
     
    Damals, als wir noch nach Schwackenreute fuhren, kehrten wir Gott sei Dank immer wieder nach Hause zurück. Wir mussten nicht in Schwackenreute übernachten. Von allem, was ich von Schwackenreute erinnere, war das Schönste die Fahrt nach Hause, auch wenn sie durch denselben dunklen Wald führte, an der Kiesgrube vorbei und an allem, was immer war und nie.
    Um halb fünf war das Abendessen in Schwackenreute. Die Bierwurst kam vom Nil, jenem Meßkircher Metzger, der die schwarze Kuh ebenfalls ablehnte. Dann drängte man in den Stall zum Melken, und wir durften zurückfahren. Es kam aber auch vor, dass man uns noch das Vieh zeigte. Dann mussten wir alle mit in den Stall hinunter, ob wir wollten oder nicht, und loben. So wie andere ihre Sammlung, ihre Bilder, Waffen, Geweihe und Briefmarken zeigen, so zeigte uns der Mostonkel seine prämierten Kühe, das braune Meßkircher Höhenfleckvieh und die dazugehörenden Plaketten von den Landwirtschaftsausstellungen am Stalltürchen, und wollte gelobt sein. Hatte eine Sau geworfen, mussten wir durch Spinnweben und verschimmeltes Heu in den hintersten Stall, das Wurfzimmer. Er wies auf die neugeborenen Lebewesen, die schönen Ferkel, und zählte, mit einem Stecken über sie hinwegfahrend, voller Stolz: Do-do-do - bis dreizehn. So viele waren es, die an der Mutterbrust hingen.
    Und so endet Schwackenreute. Ich war ein Kind: Ich war so groß wie eine Schwertlilie, »und das Heu roch nach der unglücklichen Liebe des Himmels zur Erde«.
     

Geschichte meines Muttermals
    Bald kam trotz allem die irdische Liebe hinzu. Ich träumte vom Fliegen und flog.
    Kaum konnte ich lesen und beichten, schielte ich auch schon zu jenen Frauen in den Zeitschriften mit dem Querbalken, die beim Friseur die Runde machten, und wenn keine Frau da war, durfte auch ich hineinschauen, ja lesen und sehen, so sehnsüchtig wie niemals wieder.
    Ich träumte vom Fliegen und flog.
    Eine Geschichte konnte ich wegen des Wortes »entehrt« nicht vergessen. Ich kannte dieses Wort, wie viele deutsche Wörter, vor allem aus dem täglichen Leben, überhaupt nicht. Wir hatten unsere eigenen Wörter, vor allem für jene Dinge, mit denen wir unser tägliches Leben und Brot bestritten, es gab bei uns fünf verschiedene Wörter für »Ernte« und »Mist«; nur für »Tod« und »Liebe«, unsere coups de oceurs, hatten wir keine richtigen Wörter.
    Da las ich also eine Geschichte, gekrönt von einem Bild mit Querbalken darüber, von zwei Verliebten, sah, was damals verboten war, sah einen Mann und eine Frau, die nackt auf einer frisch gemähten Waldwiese auf ihrer mitgebrachten Rosshaardecke lagen und schmusten.
    Und genau in diesem Augenblick wurden sie von einem Mann mit einer Pistole überfallen. Diese Szene zeigte die zweite, skandalös schlechte Fotografie, und doch, das war, wie die ganze frühe Zeit: so wenig, so viel. Der Überfall mit der Pistole war eigentlich ein Verbrechen, doch ich sah nur diese Frau, von der - außer ihren Brüsten und ihrem schwellend blonden Haar - nicht viel zu sehen war, nicht einmal der Querbalken auf diesem dritten Bild, womit dieser kleine Fotoromanzo schon zu Ende war, da sich der Wüstling schon ziemlich über die Frau auf der mitgebrachten Rosshaardecke hergemacht hatte. Ich stellte mir dazu unser Wäldchen vor, den Hennenbühl, jene Wiese im Wald, wo solche Dinge der himmlisch irdischen Liebe, verteilt über die Geschichte, immer wieder vorgekommen waren wie in diesem unvergesslichen Wochenend, wo der von dem Wüstling gefesselte Geliebte von Adele zu allem ein Gesicht machte, als wäre ihm dies gerade recht gewesen und sie auf nichts mehr gewartet hätte als auf diesen Augenblick. Und dieser tatenlose Jürgen musste zusehen, wie Adele auf der mitgebrachten Rosshaardecke, die eigentlich zum Schmusen gedacht war, von einem Wüstling entehrt wurde.
    Zu Hause, beim Mittagessen, fragte ich dann, vielleicht beim Habermus, das einem immergleichen Tischgebet folgte und vorausging, die näheren Umstände dieses unbekannten Wortes freilich weglassend, und so eigentlich unterschlagend, fragte in den Raum hinein, was »entehrt« bedeutete, denn viele Wörter wusste ich noch nicht, oder ich verwandte sie in einem anderen Sinn, als Kind sagte ich »falsch entbunden« am Telefon, worüber nur Erwachsene lachen können.
    »Entehrt.« - Statt einer Antwort bekam ich nur eine Ohrfeige, denn

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